War Jesus schwul?

Lukas (nicht der aus dem Evangelium ;) )
© Pete Will/iStockphoto/Getty Images

Als ich mir die Bibel mal wieder durchgelesen habe, ist mir aufgefallen, dass es ziemlich viele Aspekte gibt, wo man vermuten könnte, dass Jesus auch Beziehungen zu Männern hatte.

Dies lässt sich vor allem im Johannesevangelium vermuten:

Dort gibt es den sogenannten „geliebten Jünger". Er und Jesus haben eine intime Beziehung, auch wenn es Diskussionen gibt, wer eigentlich dieser Jünger ist. Jedenfalls liegt der geliebte Jünger beim letzten Abendmahl auf der Brust Jesu und soll angeblich in seiner „inneren Tunika" sein, wozu wir heute wohl Unterwäsche sagen würden.

Würden Sie das ähnlich auslegen und welche Lektion können wir aus dieser Erzählung lernen, für unsere heutige Zeit?

Hallo Lukas!

Da haben Sie sich ja eine interessante Frage ausgesucht! Und ich glaube, dass sich schon sehr viele Menschen diese Frage gestellt haben. Zum Beispiel der amerikanische Pfarrer Robert Goss, der zu diesem Thema ein Interview für Vice gegeben hat.

Das liegt daran, dass wir uns Jesus gern so menschlich wie möglich vorstellen. Jesus ist ein Vorbild. Das ist er auch darin, wie er sein Leben geführt. Wer selbst queer lebt, wie Robert Goss z.B., möchte auch darin in Jesus ein Vorbild haben: Jesus als prominenter Schwuler.

Andere fragen sich vielleicht eher: Was Jesus verliebt? Hatte er eine Beziehung zu Maria Magdalena? Hatte er vielleicht sogar Kinder? Viele berühmte Bücher und Filme – wie Dan Browns „Sakrileg“ – gehen dieser Frage nach.

Wie Sie selbst gelesen haben, wird im Johannisevangelium vom Lieblingsjünger gesprochen. Beim letzten Abendmahl legt er den Kopf an Jesu Brust (Joh 13,23). Im griechischen steht dort für „Brust“ das Wort „Κόλπος“. Die griechische Redewendung „an der Brust von jemanden liegen“ drückt besondere Nähe aus, eine sehr enge Gemeinschaft. Sexuell ist dieser Begriff nicht gemeint. Auch von der Tunika steht in diesem Vers nichts. Allerdings zieht sich Jesus vor dem Abendmahl bis auf die Unterwäsche aus, um seinen Jünger*innen die Füße zu waschen – danach kleidet er sich aber wieder an (Joh 13,1–12). 

Wer war aber dieser geheimnisvolle Lieblingsjünger? In der Tat gibt es darüber viele Diskussionen. Den Begriff des Lieblingsjüngers gibt es nur im Johannesevangelium. Manche meinen, damit sei Johannes – der Autor des Evangeliums – gemeint. Damit möchte Johannes vielleicht seine besondere Bedeutung hervorheben. Andere sagen, dass jede Christin und jeder Christ Lieblingsjünger*in sein kann. So könne jede*r Gläubige Jesus ganz nahe kommen. Das gilt auch für uns: Wir können im Glauben eine tiefe Beziehung zu Jesus eingehen.

Ich glaube, es ist ganz gut, dass wir nichts Genaues über Jesu Sexualität sagen können. So kann jede und jeder sich ein eigenes Bild machen. So ist er ein Vorbild für alle Christinnen und Christen, egal ob hetero oder homo, ob straight oder queer. Und auch für uns heute ist es wichtig, dass wir diese Vielfalt an Lebensformen als Christ*innen leben können.

 

Beste Grüße,

Johanna Klee

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