Welche Lieder dürfen in Kirchen gesungen werden?

Lina
Keagan Henman auf Unsplash
Eine Frau singt in einer Kirche

Guten Tag! 
Dürfen in einer Kirche (nicht während eines Gottesdienstes, sondern in einem extra Konzert) weltliche Lieder gesungen werden? Darf ein Lied über Toleranz, Offenheit und Homosexualität dort gesungen werden oder darf dies vom Pfarrer verboten werden?

Liebe Lina, 

das Verhältnis zwischen den klassischen Liedern, die wir in der Kirche gerne hören und weltlichen Liedern ist schon immer fließend. So hat Johann Sebastian Bach für seinen Eingangschor zum Weihnachtsoratorium auf eine weltliche Glückwunschkantate zurückgegriffen. Aus einem weltlichen Lied wurde ein kirchlicher Klassiker. Das gab es häufiger. In dem Choral "In dir ist Freude" klingt bis heute die Herkunft des Liedes mit, das Original besingt wie ein leichter Tanz die Liebe, die zu einem Leben voller Lust einlädt. Die christliche Neudichtung überschreibt den weltlichen Text mit einem Glaubenssatz: "Wenn wir Dich haben, kann uns nicht schaden Teufel, Sünde, Welt und Tod." Also: Weltliche Melodien haben häufig als geistliche Lieder die Kirchen erobert.

Weltliche Kompositionen und weltliche Dichtungen greifen aber auch auf biblische und geistliche Motive zurück. Das "Halleluja" von Leonard Cohen wird gerne in Kirchen gesungen und bringt König David in den Blick, der die Harfe vor Gott spielt.  Oder Tim Bendzko besingt in seinem Lied "ohne zurück zu sehen" zwei Bibelverse: "Du bist ein Gott, der mich sieht." (1. Mose 16,13) und "ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an." (1. Samuel 16,7). 

Also sind die Grenzen in der Musik fließend und die vielen neuen geistlichen Lieder, die wir in unseren Kirchen singen, haben die Grenzen zwischen Kirchenmusik und weltlicher Musik weitgehend verschwinden lassen. 

Damit dürfte ich Ihre Frage grundsätzlich beantwortet haben. Aber: Dass man die Musik, die in einer Kirche erklingen soll, behutsam auswählt, versteht sich von selbst. Offene oder versteckte Aufrufe zur Gewalt, Texte, in denen einzelne Menschen oder Menschengruppen diffamiert werden, haben - wie überall auch - in der Kirche einfach keinen Platz. Die Auswahl für ein Konzertprogramm braucht immer viel Fingerspitzengefühl. Die Musik eines Konzertes darf auch die Menschen, die im Gottesdienst zuhause sind, nicht über die Maßen irritieren. Da würde ich den Rat Ihres Pastors schon bei der ersten Planung berücksichtigen, er kennt die Menschen, die sonntags die Kirche besuchen. Und der Kirchengemeinderat jeder Kirchengemeinde muss auch bei Konzerten mindestens mitsprechen können, und - im Streitfall - wird er auch entscheiden müssen. 

Also bitte ich Sie, nehmen Sie meine Antwort zur weltlicher und geistlicher Musik als eine Hilfestellung mit und klären in Ihrer Kirchengemeinde, welche Lieder über Toleranz, Offenheit und Homosexualität gesungen werden können. 

Herzliche Grüße, 

Ihr Henning Kiene  

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