Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Glaubensbekenntnisse

Mark Heimer
Frau betet
©Ruben Hutabarat/Unsplash

Wie unterscheiden sich das Nizänische und das Apostolische Glaubensbekenntnis voneinander und welche Gemeinsamkeiten gibt es?

Lieber Gast,

damit wir Ihre Frage beantworten kann, müssen wir ein wenig ausholen.

1. Die Bekenntnisse
Das von Ihnen erwähnte Nizänische Glaubensbekenntnis heißt mit vollem Namen „Nizäno-Konstantinopolitanum“. Es ist auf dem Konzil von Chalcedon (451) als verbindlich bestätigt worden. Dieses Konzil war das vierte von insgesamt sieben sogenannten „ökumenischen Konzilien“ der Alten Kirche. (Die Konzilien von Nizäa und Konstantinopel, die dem Bekenntnis den Namen geben, waren die ersten beiden – 325 und 381). Diese Konzilien fanden – wie Sie richtig schreiben – im Osten statt (also nicht in Rom).

Es ging des Verfassern des Nizäno-Konstantinopolitanums um eine verbindliche Beschreibung der Trinität, also um die Frage: Wie verhalten sich die drei „Personen“ der Trinität (vor allem Gott Vater und Gott Sohn) zueinander. Darum sind in diesem Bekenntnis Formulierungen enthalten wie diese über Jesus Christus: „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen.“ Solche Überlegungen spielen in dem anderen Glaubensbekenntnis, das Sie erwähnen, dem sogenannten „Apostolikum“ keine Rolle, denn in dem geht es vor allem um die Beschreibung der Heilsgeschichte: Gott der Schöpfer, dann Jesus Christus, dann der Heilige Geist.

Besonders wichtig für Ihre Frage ist: Das Bekenntnis von Nicää-Konstantinopel ist bis heute von allen christlichen Kirchen anerkannt! Es ist das einzige Bekenntnis, das jemals von einer ökumenischen Versammlung bestätigt wurde. Es „gilt“ also für die katholische Kirche ebenso wie für die protestantischen und – anders als das Apostolikum – auch für die orthodoxe.  Das ist der Grund, warum das Nizäno-Konstantinopolitanum – meist zu besonderen Anlässen – auch in den evangelischen Gottesdiensten vorkommt. Zugespitzt könnte man auf Ihre Frage antworten: Wenn ein einziges Glaubensbekenntnis verwendet werden sollte, dann dieses, weil es das Bekenntnis der ganzen Christenheit ist.

Die Entstehung des Apostolikums liegt im Dunkel, das heißt: Die Formulierung ist höchst wahrscheinlich sehr alt, doch taucht es in seiner jetzigen Gestalt schriftlich erst spät auf. Nun wird es spannend: Das Apostolikum ist in den westlichen Kirchen im Gebrauch. Es geht auf das sogenannte „Altrömische Bekenntnis“ zurück. Hier der gesamte Wortlaut:

Altroemisches Bekenntnis wrote:

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen;
Und an Jesus Christus, seinen Sohn, den Einziggeborenen, unseren Herrn,
der geboren ist aus Heiligem Geist und Maria, der Jungfrau,
der unter Pontius Pilatus gekreuzigt und begraben wurde,
am dritten Tag auferstand von den Toten,
aufstieg in den Himmel,
zur Rechten des Vaters sitzt,
von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten;
Und an den Heiligen Geist,
die heilige Kirche,
die Vergebung der Sünden,
des Fleisches Auferstehung.

Beachten Sie, dass auch hier – wie im Nizäno-Konstantinopolitanum das „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ fehlt. Dieser Satz ist (wie andere Teile auch) erst später hinzugekommen.

2. Die „Höllenfahrt Christi“
Wie kam es also zu dem Zusatz „hinabgestiegen in das Reich des Todes“? Dieser Satz geht auf Überlegungen zurück, die man sich schon sehr früh stellte: „Was geschah mit Jesus zwischen Karfreitag und Ostersonntag denn nun genau?“ und „Wenn Christus „von den Toten auferstanden“ ist, muss er vorher bei ihnen gewesen sein, also in der Unterwelt.“ Das Motiv von einer Reise in die Unterwelt ist ein beliebtes Motiv der außerbiblischen (z.B. Orpheus) und nebenbiblischen (also christlichen, aber eben nicht biblischen) Literatur. Außerbiblisch hat sie immer etwas mit der Überwindung des Todes zu tun, nebenbiblisch mit Offenbarungen (zum Beispiel im Buch Henoch). Das einzige biblische Zeugnis, das eine Spekulation über Christi Höllenfahrt zulässt ist 1. Petrus 3,19, wo es heißt: „In ihm (Christus) ist er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis.“

In diesem Zusammenhang entsteht die Legende von der Höllenfahrt Christi, die jetzt im Corpus der sogenannten „Pilatus-Akten“ (ebenfalls ein nebenbiblisches, ein „apokryphes" Zeugnis) vorliegt, aber nicht zum Grundbestand des Textes gehört. Er kann nicht vor dem 5. in den Text gelangt sein. Da der Zusatz zu den Pilatusakten auf Griechisch verfasst wurde, ist ein Ursprung im Osten wahrscheinlich, gedacht wird an Syrien im 4./5. Jh. Von dort aus ist die Höllenfahrt in das Apostolikum gelangt und zwar als bekenntnisartige Formulierung eines Sachverhalts, der von allen geglaubt wurde. In den östlichen Bekenntnissen findet er sich, wie gesagt, nicht. Die ikonographische Tradition der Ostkirche weist aber darauf hin, dass die Sache zum Glaubensinhalt gehört.

Zum theologischen Sinn der Vorstellung von der Höllenfahrt Christi zitiere ich hier noch: Markwart Herzog, Höllen-Fahrten, Geschichte und Aktualität eines Mythos, Stuttgart 2006, 69:

Markwart Herzog wrote:

“Theologisch war von entscheidendem … Interesse … die ‚Theologie des Karsamstag‘, genauer: was bedeutet es wirklich und in letzter Konsequenz, dass der Heiland gestorben war? Das sagt die Bibel eben nicht deutlich genug…Also muss man es aus den vorhandenen biblischen Daten eruieren. Das erste lautet: Christus ist wirklich tot. Was heißt das im Vollsinn? Er befindet sich bei den Toten – narrativ in der Unterwelt, in die man durch eine von der Erdoberfläche her gesehen absteigende Reise gelangt. Da er aber gerade als der am Kreuz Hingeschiedene Erlöser geblieben ist, muss dieses Sein bei den Toten ebenfalls soteriologisch (heilsgeschichtlich, Anm. Frank Muchlinsky) gedeutet werden – also als Aktivität bei ihnen, wobei man unbefangen an ein tätiges Handeln dachte. Im Focus steht … die Heilsbedeutung der Auferstehung des Herrn, gedeutet aus der Perspektive des Todes – nicht nur Christi, sondern anthropologisch universal.“

3. Schluss:
Die Bekenntnisse des Christentums sind immer wieder neu formuliert worden, um den Bedürfnissen ihrer Zeit gerecht zu werden. Das können theologische Fragen sein oder auch gesellschaftliche oder sprachliche. Letztlich kommt es darauf an, den Glauben in Formulierungen zu bringen, die man gemeinsam sprechen kann – als Taufbekenntnis oder als gemeinsames Bekenntnis im Gottesdienst. Das „eine Glaubensbekenntnis“ der Christenheit ist das Nizäno-Konstantinopolitanum, und das kommt ohne die Höllenfahrt Christi aus.


Herzliche Grüße,
Frank Muchlinsky und Sabine Löw

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