Luthers 7. These - was bedeutet das?

Lukas
Evangelischer Pfarrer
©Getty Images/Freder

Guten Tag Frau Heu,

vor Kurzem habe ich mir nach einer Diskussion mit meinem Bruder, es ging um den Papst und dessen Bedeutung bei den Evangelischen, die Thesen Luthers durchgelesen. In denen schreibt Luther "Gott erlässt Strafen nur denjenigen, die sich dem Papst (Gottes Stellvertreter auf der Erde) unterwerfen". Wenn der evangelische Glaube, wie es mir beigebracht wurde, auf den Thesen Luthers und dessen Denkweise basiert: warum lehnen denn die Evangelischen den Papst ab, obwohl Luther ihn als Vertreter Gottes (ist er nicht eigentlich Vertreter von Petrus der von Jesus den Schlüssel bekommen hat?) angesehen hat?

Vielen Dank für die Antwort schon im Vorraus.

Lukas

Lieber Lukas,

 

vielen Dank für Ihre spannende Frage! Wenn wir über Luthers Thesen diskutieren, lohnt es sich in der Sprache, in der er sie verfasst hat, nachzulesen, im Lateinischen. Dort ist nämlich nicht vom "Papst" (lat. "papa") die Rede, sondern vom "sacerdos", den wir im Deutschen als "Priester" widergeben können. Grundsätzlich gibt es aber im Lateinischen mehrere Bezeichnungen für den Priester, die jeweils eine andere Bedeutung tragen. Dem "sacerdos", der geweihte Priester, der das Opfer (also das Abendmahl) durchführt, ist z. B. der "presbyter" gegenübergestellt, der als der Älteste, den Vorsitz der Gemeinde symbolisiert oder der "minister", der das geistliche Amt trägt.

Wenn Luther also schreibt,

Nulli prorsus remittit deus culpam, quin simul eum subiiciat humiliatum in omnibus sácerdoti suo vicario.

auf Deutsch übersetzt (von der Webseite der EKD: https://www.ekd.de/95-Thesen-10864.htm):

Überhaupt niemandem vergibt Gott die Schuld, ohne dass er ihn nicht zugleich – in allem erniedrigt – dem Priester, seinem Vertreter, unterwirft.

dann meint er damit, dass Gott niemandem vergibt, der nicht denjenigen achtet, der Pfarrer oder Pfarrerin ist. Wir können den Text nicht 1:1 auf unsere heutige kirchliche Situation übertragen, sondern wir müssen ihn als Dokument von vor über 500 Jahren verstehen. Luther wendet sich in seinen 95 Thesen deutlich gegen den Papst, aber er lehnt Pfarrer, als Priester, nicht ab. Sondern er sagt, dass es sie braucht, um die Kirche zu haben. Ein weiterer wichtiger Reformator und ein guter Freund Luthers, Melanchthon, schrieb in der Confessio Augustana, eines der wichtigsten Dokumente der evangelisch-lutherischen Tradition:

Artikel 14: Vom Kirchenregiment
Vom Kirchenregiment (kirchlichen Amt) wird gelehrt, dass niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll ohne ordnungsgemäße Berufung.  

Das bedeutet, dass es berufene Pfarrer ("sacerdos") und heute auch Pfarrerinnen, unbedingt braucht!!! Sie sind von Gott berufen und somit in das Priesteramt eingesetzt. Aber es braucht eben nicht den Papst, der als Bischof von Rom Stellvertreter Christi, durch Petrus als Apostel Jesu, ist.

Ich hoffe, Sie können die siebte These von Luthers 95 Thesen nun etwas besser nachvollziehen und einordnen.

Viele Grüße

Pia Heu

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