Wir sind seit über 30 Jahren verheiratet, und mir ist erst vor einiger Zeit aufgefallen, dass sich meine Frau oft ständig räuspert. Das ist anscheinend chronisch, vielleicht auch psychisch bedingt. Sie hatte mal was mit der Schilddrüse. Wenn man sie darauf anspricht, lenkt sie gleich ab, dann wird nicht mehr nachgefragt. Ich habe bekannte Frauen darauf angesprochen, aber geholfen hat mir keine und es gab auch keine Rücksprache.
Lieber Herr Friedrich,
das ist keine einfache Situation, Sie befürchten, dass Ihre Frau krank ist, aber Sie erreichen sie nicht, finden keinen Zugang zu ihr, weil sie Ihr Gesprächsangebot nicht annimmt. Das passiert in Ehen, man kennt sich gut, hat viele Dinge gemeinsam gestaltet und durchgestanden, aber eine große Sorge kann man nicht teilen. Es ist eine Frage des Respekts, dass Sie die Entscheidung Ihrer Frau ertragen und nicht drängeln und ihr bohrende Fragen stellen. Auch nach 30 Jahren Ehe ist Ihre Frau für ihre Gesundheit selbst verantwortlich. Vielleicht hat sie schon ärztlichen Rat gesucht? Vielleicht wartet sie auf eine Diagnose über die Sie beide sprechen können? Aber auch: Vielleicht empfindet sie ihr Räuspern als normal? Vielleicht ist das Räuspern auch normal?
So lange Sie beide nicht miteinander darüber sprechen, können Sie und ich nur spekulieren. Fest steht allerdings: Ihre Frau hat das Recht für sich selbst zu entscheiden, wann sie mit wem über mögliche chronische Erkrankungen sprechen will. Die Eheurkunde ist kein Garantieschein für offene und ehrliche Gespräche. Wenn jedoch Gefahr für Leib und Leben besteht, in akuter Not, dann müssen Sie eingreifen und Hilfe holen. Aber so ernst ist es nicht. Oder doch?
Unabhängig vom Räuspern bleibt die Frage: Wie muss eine Gesprächskultur beschaffen sein, in der wir offen und ehrlich miteinander sprechen können? Machen Sie unaufdringliche Angebote. Manches Gespräch beginnt mit einer zarten Liebeserklärung. Mit einem kleinen, symbolischen Geschenk kann man zeigen, wie wichtig die Ehe und Partnerschaft ist. Das unausgesprochene aber unmissverständliche Signal heißt: "Ich liebe, schätze und brauche dich und wünsche mir innig, dass es dir genauso gut geht wie mir." Sagen Sie Ihrer Frau doch einmal ganz genau, was Sie an Ihrer Frau lieben: Der Duft der Haare? Die weiche Haut auf dem Oberarm? Ihre Geduld mit Ihnen und Ihren Sorgen? Die schöne Gestalt, die Sie immer an Ihr Kennenlernen erinnert? Und: Bedanken Sie sich bei Ihrer Frau, regelmäßig einmal am Tag. Gerade das Selbstverständliche, das Paare füreinander tun, wird selten mit einem Dankeschön gekrönt. In der Ehe treten verbindliche Zeichen, die die gegenseitige Verbundenheit unterstreichen, schnell in den Hintergrund. Pflegt man das alltägliche Kompliment, das Danken und die kleine Verliebtheit zwischendurch, dann kommt eine Ehe besser durch schwere Zeiten. Ich bin mir sicher, wenn Sie keine Zweifel lassen, dass Sie Ihrer Frau vertrauen, sie in guten und in schweren Tagen unterstützen, dann wird auch ein Gespräch über das Räuspern und eine überwundene Krankheit kein großes Problem mehr sein. Geduldig um die Liebe und das Vertrauen werben, ist die Strategie frisch Verliebter Menschen. Diese Strategie ist die beste Methode, die Ehe - auch nach 30 Jahren - zu pflegen.
Ich wäre übrigens sehr sauer, wenn meine Frau mit meinen Freunden über meine möglichen Krankheiten sprechen würde, ich gehe davon aus, dass sie mich vorher fragen würde: "Darf ich mit Harald sprechen, dich erreiche ich nicht?" Möglicherweise ist da ein weiteres Gespräch und eine Entschuldigung angezeigt?
Kurz: Die Ehe allein begründet kein Recht und keinen Anspruch auf offene Gespräche. Es bleibt wie am Anfang der Partnerschaft und Ehe: Liebe besteht immer auch aus einem Werben um die Liebe. Liebeswerben ist Teil der Ehe.
Ihrer Frau wünsche ich Gesundheit, Ihnen wünsche ich Kraft, Liebe und Besonnenheit, für Ihr Werben um Ihre Ehe und um das Vertrauen Ihrer Frau, Ihr Henning Kiene
Henning Kiene ist Autor des Buches "Zweisamkeit", das im März 2025 in der edition chrismon erschienen ist.