Liebe Sabine,
Sie leiden mit, wenn die Tiere, die Sie zu sich genommen haben, krank werden, alt sind und dann sterben. Den Tod mitzuerleben ist immer qualvoll. Wie innig ein Mensch den Schmerz, den Tiere erleiden, mitempfinden, können Außenstehende häufig kaum nachempfinden. Als Hundebesitzer ahne ich, was Sie erleben. Mit dem Unterschied, dass ich nur um ein einzelnes Tier trauern musste, Sie aber um mehrere Tiere zu gleichen Zeit. Mein Mitempfinden für Sie und Ihre Tiere ist groß und ich ahne, wie sehr Sie dieses Leid betrifft. Sie haben ein gutes, einfühlsames Herz, bitte danken Sie Gott für Ihr feines Gespür. Empfindsam zu sein ist ein Geschenk Gottes. Manchmal ist Empfindsamkeit auch ein schweres Geschenk, an dem nicht nur Sie mühsam zu tragen haben. Der Unterschied zwischen menschlichem Leid und dem Leid der Tiere, die uns wie Freundinnen und Freunde umgeben, kann vollständig verwischen. Der Apostel Paulus hat dieses Leid aller Geschöpfe formuliert: "Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt." (Römer 8,20-22)
In dem Schmerz, den der Apostel beschreibt, sind Gott, Mensch, alle Geschöpfe eng untereinander verbunden − im ängstlichen Harren, in Schmerz, Seufzen. Das ist der Schmerz, der Sie und Ihre Tiere eint. Doch der Apostel vergleicht diesen Schmerz mit den Wehen einer Geburt. Das Leid heute führt zu einer neuen Freude, die den Schmerz verblassen lässt.
Ein Versprechen, dass es heute, in diesem Leben, kein Leid geben soll, hat Gott uns nicht gegeben. Hoffnung ist die Gabe, die Gott uns ins Herz und in den Glauben legt. Der christliche Glaube kennt eine Hoffnung, die ahnt, das hinter dem Leid das Heil auf alle Kreatur wartet. Gott hat das Heil für seine ganze Schöpfung vorbereitet, sein Versprechen, dass das Leid und Geschrei ein Ende haben wird, ist für die Zukunft bestimmt, wird aber schon heute erfüllt. Aus diesem Versprechen schöpft der Glaube seine Kraft. Oder: Viele Menschen können schwerstes, auch fremdes Leid mittragen, weil ihre Hoffnung so stark ist und ihre Kräfte wachsen lässt. Ich wünsche Ihnen solche Kräfte, denn Sie spüren - wenn ich Sie richtig verstehe - diese Kräfte im Moment nicht.
Sie hatten ihre Tiere "mit der Intention adoptiert, ihnen ein wunderschönes Leben zu geben." Ich bin davon überzeugt, dass Sie das bis jetzt geschafft haben. Ihre Tiere hatten ein wunderschönes Leben. Dass zum Leben auch Leid, Schmerz und das Sterben gehören, habe ich bei unserem Hund lange Jahre vergessen. Doch am Ende hat er mich als Mensch beansprucht und ich konnte ihm etwas seiner alten Lebensfreude zurückgeben. Das Leben mit einem sterbenden Haustier belastet selbst die stärksten Menschen. Wenn Sie das alleine nicht schaffen, dann holen Sie sich bitte Hilfe. Ein Anruf bei einer der Auffangstationen kann Unterstützung bringen. In Ihrer Nachbarschaft sind andere Menschen, die Ihnen Hilfe anbieten können.
Ihre Zuversicht ist aber, so lese ich Ihre Frage, erschöpft. Kein Wunder, das Leid, das Sie umgibt, scheint wirklich erdrückend zu sein. Meine Bitte, wenn diese harte Situation Sie so belastet, dass Sie an Suizid denken, dann nehmen Sie die Telefonseelsorge in Anspruch und rufen diese kostenlose Telefonnummer an: 0800 1110111 oder 0800 1110222.
Ich wünsche Ihnen Kraft, damit Ihre Liebe zu Ihren Weggefährten sie bis zum Schluss trägt, Ihr Henning Kiene