Evangelischer Pfarrer im Ornat wirkt das nicht katholisch?

Eva-Maria
Ein Priester, den Kopf sieht man nicht.
unsplash / Trnava University

Wie darf ist es verstehen wenn sich ein ev. Pfarrer im Gottesdienst im Orant kleidet, welches dem eines kath. Priester zum Verwechseln ähnelt. Ich spreche von besticktem weißer Umhang und Stola. Ich dachte ein ev. Pfarrer trägt im Gottesdienst einen schwarzen Talar und Beffchen? Gerne nutzt ein ev. Pfarrer auch Weihwasser (?) zur Segnung von Gegenständen, Gräbern und Gebäuden. War ich etwa im Religions- u. Konfimadenuntericht nicht aufmerksam genug?

Liebe Eva-Maria,

Kleidungsfragen stehen in der evangelischen Kirche an zweiter Stelle. Gottes Heil benötigt keine Kleiderordnung. Die Bibel stiftet keine Norm.  Darum wurden die Kleidungsordnungen in den Kirchen der Reformation eher pragmatisch geklärt. Jede evangelische Landeskirche hat sich eine eigene Ordnung gegeben. 

Sie haben Recht: Der schwarze Talar mit dem weißen Beffchen gilt als die evangelische Amtstracht, die in allen Gottesdiensten getragen werden soll. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eingebürgert, dass viele Pastorinnen und Pastoren die farbige Stola über dem schwarzen Talar tragen.  Zusätzlich ist die weiße Albe in den meisten deutschen Landeskirchen zugelassen, in der Regel wird die Albe zu Taufgottesdiensten und zu Festgottesdiensten z.B. in der Osternacht getragen. Schwarz wird oft als unangemessen, ernst, angsteinflößend erlebt. Also bringen viele Kirchengemeinden etwas mehr Farbe in die Gottesdienste ein. Denn: Kleidungsfragen sind ja zweitrangig. Es geht - so will es die Reformation - um das Wort Gottes, das rein und lauter gepredigt werden soll. Als Pastor kann ich für mich persönlich nur sagen: Mein Talar hebt den Ernst hervor, mit dem ich Gottesdienste vorbereite, er zeigt, dass ich beruflich handle und in der Kirche als berufener Amtsträger tätig bin. Amtskleidung bewahrt mich vor dem Missverständnis, dass ich alles in der Kirche aus mir selbst schöpfen muss, ich bin dem Wort Gottes, meinem Ordinationsgelübde und in allem, was ich tue, dem Bekenntnis der Kirche sichtbar verbunden. 

Dass die Albe dem Messgewand römisch-katholischer Kollegen ähnlich ist, ist eher ein Zeichen der Verbundenheit, denn christlicher Glaube ist immer ökumenisch und das Heil, das wir im Gottesdienst erwarten und feiern, fügt die Konfessionen zusammen und soll die Trennung nicht noch weiter hervorheben. Also: Wo ist das Problem? 

Jetzt muss ich spekulieren: Vielleicht sind Sie Gemeindeglied in einer Kirchengemeinde, die sich der "hochkirchlichen Bewegung" verbunden hat?  Tatsächlich hat sich im 20. Jahrhundert eine solche Tradition in der evangelischen Kirche herausgebildet. Diese Bewegung pflegt das gemeinsame Erbe der Kirchen, das vor der Reformation schon im Zentrum stand: Gebet, Liturgie, Abendmahlsgemeinschaft. In den Jahren des Nationalsozialismus war in dieser Bewegung auch Widerstand gegen Übergriffe in das kirchliche Leben beheimatet. Diese Bewegung nutzt tatsächlich Messgewänder, die katholisch wirken, aber die Gottesdienste folgen den Einsichten der Reformation. Und: Die Reformatoren führten die Reformation zwar ein, aber die Neuordnung der Messgewänder erfolgte erst nach der Neuordnung des kirchlichen Lebens. Auch die Abendmahlshehre der Reformation ging der Kleiderordnung voraus.  Das war ja so gedacht: Das Wort Gottes ist wichtiger als Kleiderfragen. 

In Deutschland gibt es rund 20 Gemeinden und Gemeinschaften, die sich der hochkirchlichen Bewegung zurechnen. Im Raum der evangelischen Landeskirchen eine minikleine Minderheit. In den Großstädten ist diese Bewegung auch eine willkommene Alternative. Und: Wem dieses Angebot nicht gefällt, besucht in der Stadt den Gottesdienst in der nahen Nachbarschaft. 

Ihre Zusatzfrage nach dem Weihwasser ist eindeutig zu beantworten: Wasser am Eingang einer evangelischen Kirche ist nicht geweiht, wer sich mit diesem Wasser bekreuzigt, erinnert sich seiner Taufe. Das Wasser bleibt - wie bei der Taufe - Wasser und dient der Erinnerung: Ich bin getauft. Evangelisch sein heißt: Wir weihen keine Dinge, sondern beten nur für die Menschen. 

Nun meine wichtigste Antwort an Sie persönlich: Bitte sprechen Sie die Personen, die Sie im Blick haben, direkt an. Fragen Sie meine Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Gemeinde, was sie warum machen und warum sie sich so kleiden, wie Sie es sehen. Vielleicht können Sie - auch als konfirmierter Mensch - etwas neu lernen. 

Ich wünsche Ihnen gute Gespräche, Ihr Henning Kiene 

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