Sehr geehrter Herr Winkler,
lieber Ruedi,
das Warten auf Christus und seine Wiederkehr verbindet die Christenheit und damit auch alle Konfessionen. Es geht bei dieser Erwartungshaltung also nicht nur um die eher evangelikalen Kirchen, sondern um alle Christinnen und Christen. Ich danke Ihnen für Ihre Frage. Die Erde, so wie sie uns von unserem Schöpfer anvertraut wurde, die wir bewahren und bebauen sollen, ist nicht als Schlachtfeld erschaffen worden. Jeder Schöpfungstag schließt mit dem Satz: "Und siehe es war sehr gut". (Siehe: 1. Mose 1) Das muss man immer im Blick behalten, die Schöpfung ist nicht Gottes Wegwerfartikel. So auch die Zusage Gottes am Ende der großen Flut: "Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe." (1. Mose 8,21)
Trotzdem ist die Erde und unsere Zeit gegenüber der Zukunft, die wir erwarten, immer auch vorläufig. Der Prophet Jesaja formuliert das: "Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird." (Jesaja 65,17) Und die Offenbarung des Johannes spitzt das weiter zu und mündet in ein Trostwort ein: "Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen." (Offenbarung 21,4)
Das Ziel, in das unserer Zeit eingehen wird, ist also nicht die gigantische Katastrophe, die einen furchtbaren Untergang inszeniert, sondern ein Art Aufgehoben werden in eine gnädig gestimmte Zukunft, die die Gegenwart in den Schatten stellt indem sie Krieg, Gewalt und Leid überwindet. Oder: Gott will Gnade und nicht Gericht.
Was die "Schlacht von Harmagedon" bedeutet, ist nicht eindeutig geklärt. Offenbar stehen kriegerische Handlungen im Hintergrund, die man heute nicht mehr einordnen kann, deren Deutung nur Spekulationen befördern. Auch die "Schalen des Zornes" von denen Offenbarung 16 spricht, sind - aus unserer Perspektive - nicht wortwörtlich zu verstehen. Drohungen mit dem Gericht sind vielfach nur Mahnungen, die an die Lebenden gerichtet sind und die Lebenden auffordern, ihr Leben, die Gegenwart, zu ändern. Es geht um das Besser machen.
Jede Zeit, die - wie unsere Krisenzeit - als bedrohlich verstanden wird, wurde auch als "Endzeit" verstanden. Ich erinnere noch die Jahre, in denen sich die hochgerüsteten Atommächte gegenüber standen, damals machte sich eine Endzeitstimmung breit, an die ich heute immer wieder denken muss. Und dann kommt ein - vermutlich nur nachempfundenes - Wort von Martin Luther in den Sinn, das einfach richtig ist: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Lassen Sie uns Apfelbäume pflanzen und der Gnadenzeit, die die Bibel ansagt, vertrauen, das ist christlicher als sich mit der Angst vor dem Gericht wichtig zu machen.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Henning Kiene