Ist Hitler im Himmel und Gandhi in der Hölle?

Patrick Walser
Hände taufen mit Wasser
©Getty Images/iStockphoto/Wirestock

Ihr Lieben,

Es heißt immer, wer an Jesus als Sohn Gottes glaubt und als den, der für die Sünden aller Menschen gestorben ist, die Erlösung findet - also den Himmel. Und das diejenigen, die ihn ablehnen, diese Erlösung eben nicht finden. Würde das dann nicht bedeuten, dass der Massenmörder Adolf Hitler, welcher den schlimmsten aller Kriege entfesselt hat, als christlich erzogener Mensch, der natürlich an die Erlösung durch Jesus geglaubt hat, im Himmel ist? Und das Mahatma Gandhi, welcher seine Heimat ohne Gewalt in die Unabhängigkeit führte und damit der Lehre Jesu folgte, jemandem, der dir auf die linke Wange schlägt die rechte Wange hin zu halten, in die Hölle kommt? Denn man weiß, dass Gandhi Jesus respektierte, auch für seine Lehren, er aber als Hindu Jesus als Sohn Gottes, logischerweise, abgelehnt hat.

Lieber Herr Walser,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Sie führt direkt an die Grenzen dessen, was wir wissen können. Die Vorstellung von einem "Himmel" und einer "Hölle" verstehe ich als Frage nach Gottes Gerechtigkeit nach dem Tod.

Was wir wissen, ist, dass Hitler katholisch getauft wurde und formal Christ war. Ein gläubiger Christ war er nicht, wie sein Welt- und Menschenbild und die unter seiner Herrschaft verübten Gräueltaten unmissverständlich zeigen. Er verstand es, Beziehungen zu den Kirchen in Deutschland für seine Machtergreifung zu nutzen. Die Frage könnte anders gestellt lauten: Ist Hitler als getaufter Christ im Himmel?

Mahatma Gandhis Leben und Wirken mit der Betonung auf Gewaltverzicht legt nahe, dass Gott sein Verhalten gefallen haben könnte (1.Joh 2,3). Kommt daher ein nicht getaufter, gewaltfrei lebender Hindu in den Himmel? 

Wer "in den Himmel kommt", weiß Gott allein. Gottes Heilswille gilt grundsätzlich jedem Menschen (1 Tim 2,4). Die Taufe ist das sichtbare Zeichen für Gottes Zuwendung zu seinen Geschöpfen, jedoch keine Voraussetzung für diese. Deshalb gilt Gottes Zuwendung nach meiner Überzeugung uneingeschränkt auch für ungetaufte Menschen wie Gandhi.

Wie sich Gottes Heilsangebot an uns Menschen vollzieht, können wir nicht wissen – Zeit und Stunde kennt nicht einmal sein Sohn (Mt 24,36). Aussagen darüber, wem Gott seine Barmherzigkeit und Gnade erweist, sind spekulativ. Aus evangelischer Perspektive ist Gottes Gnade nicht durch ein gezieltes Verhalten zu bewirken oder vorauszuberechnen. Darüber nachzudenken und zu diskutieren, ist jedoch eine Möglichkeit, sich mit seinem eigenen Leben und der eigenen Beziehung zu Gott auseinanderzusetzen.

Was ist nun mit Hitler? Die Bibel beschreibt einen Gott, dem es keineswegs egal ist, wie seine Geschöpfe handeln: Die Aufforderung zum „geheiligten Leben“ im Alten Testament (3.Mose 19,2) und im Neuen Testament (1 Petr 1, 13-17) ist deutlich. Das Vertrauen auf Gott soll sich darauf auswirken, wie wir leben und handeln. Darauf, wie wir uns unseren Mitgeschöpfen gegenüber verhalten. 

Worauf ich im Glauben vertraue, ist, dass der Gott Israels Gerechtigkeit herstellt – wie versprochen! Gerechtigkeit verstehe ich dabei nicht als juristischen Begriff im weltlichen Sinne. Vielmehr verstehe ich ihn als individuelle Klärung Gottes der Beziehung zu seinen Geschöpfen im Gericht. Daher vertraue ich darauf, dass Gott mit Hitler ins Gericht geht. In welcher Weise das geschieht, sprengt meine Vorstellungskraft und sogar meinen Vorstellungswillen. Gott kann, was wir nicht können! 

Insofern empfinde ich es als entlastend, dass es Gottes Aufgabe und Gottes alleiniges Recht ist, Hitler zur Rechenschaft zu ziehen. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sprach in seiner ersten Rede in Deutschland nach der Gräuelherrschaft Hitlers anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Dort bekennt er in für mich beeindruckender Weise: „Und was bin ich, dass ich mich vermessen könnte, hier zu ‚vergeben‘!“

Herzlich,

Ihre Helena Malsy

 

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