Lieber Herr Muchlinsky,
ich beschäftige mich momentan recht intensiv mit dem Thema Asexualität als sexueller Orientierung. Ich möchte die Vielschichtigkeit hier nicht ausführen, sondern einige konkrete Fragen aus meiner Perspektive eines gläubigen, aktiven protestantischen Christen (männlich/er) stellen:
Inwiefern wird die sexuelle Orientierung der Asexualität sowie die darauf gründende Lebensform von "der evangelischen Kirche" (ich bin mir über die Unzulässigkeit der Pauschalisierung bewusst) überhaupt wahrgenommen?
Gibt es eine theologische Befassung oder gar Bewertung dessen? Allgemeiner und bewusst etwas zugespitzt - beinahe polemisch - formuliert: Werden Singles von "der evangelischen Kirche"/der evangelischen Theologie in gleicher Weise wertgeschätzt wie Ehepaare und junge Familien?
Ist es Ihrer Ansicht nach theologisch vertretbar zu sagen, (a) dass Gott in seiner unendlichen Liebe keinen Unterschied macht, egal ob man allosexuell oder asexuell ist, und (b) dass Liebe (bspw. in Nächsten-liebe) als Konzept aufgefasst werden kann, dass von der romantischen, auf Sexualität und Fortpflanzung hin gedachten Liebe getrennt werden kann.
Ich würde mich über eine Rückmeldung freuen.
Bleiben Sie behütet!
Herzlich Grüße
M.
Lieber M.,
wenn man Asexualität so versteht, dass jemand aus eigenem Entschluss keinen Sex hat, so hat die Kirche damit eine lange Tradition und viel Erfahrung. Auch in der evangelischen Kirche kann man da durchaus mitreden.
Aber bringen Sie nicht Dinge zusammen, die getrennt anzuschauen sind? Singles sind doch nicht grundsätzlich asexuelle Menschen. Überhaupt: Welche Lebensform gründet sich denn Ihres Erachtens auf eine asexuelle Orientierung? Kann man nicht auch in einer Partnerschaft asexuell leben? Ich finde, man sollte aufpassen und sexuellen Orientierungen nicht grundsätzlich eine bestimmte Lebensform zuschreiben.
Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie vermuten, dass der Protestantismus lange Zeit Familien mit zwei heterosexuellen Eltern und möglichst vielen Kindern als Ideal vertreten hat. Die Kirche folgte dabei mehr dem gesellschaftlichen als Trend als dem biblischen Zeugnis, aber das fiel nur wenigen Menschen auf. Jedenfalls hatten die Erzeltern Patchworkfamilien, und Paulus empfahl, wenn man es denn könne, asexuell zu leben.
Ja, es gibt theologische Überlegungen und Beiträge mit dem Thema "Singles". Die finden Sie auf den Seiten des Evangelischen Zentrums für Frauen und Männerarbeit. Auf Ihre Fragen a) und b) gehe ich indirekt in meinem Artikel "Alles über Sex und Glaube" ein, der – aus Gründen, die Sie sich denken können, wenn Sie ihn gelesen haben – früher einmal den Titel trug: Lasst Gott mit Sex in Ruhe! Hier nur in aller Kürze: Gott geht es um Liebe, nicht um Sex.
Alles Gute!
Frank Muchlinsky
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