Lieber Herr Muchlinsky,
ich habe eine Frage zum Thema "Talente". Oft weiß man ja nicht, was man besonders gut kann bzw. für einen selbst ist das nichts Besonderes. Zumindest mir geht es so. Ich habe mal in meiner Familie gefragt, was ich gut kann und ich habe selbst überlegt.
Rausgekommen ist das:
- backen (ich bin jetzt aber nicht die Superbäckerin, ich mach es halt gerne aber jetzt nicht mega Torten oder so)
- meinen Eltern bei Computerfragen helfen (auch da weiß ich nicht alles)
- Kontakt halten in der Familie und mit meinen Freunden
- ich bin aufmerksam
- ich kann gut organisieren
- ich bin empathisch, habe also Mitgefühl mit anderen
- ich bin hilfsbereit
- singen (aber jetzt nicht Solo, eher so Hobby/Chor)
Ich denke immer, man muss Wunder weiß was können, damit es als Talent/Gabe gilt, die Gott einem gegeben hat. Denn man soll seine Gaben ja auch nutzen. Wie sehen Sie das? Oder kann man auch sagen, was ich aufgezählt habe, ist auch schon so eine Gabe von Gott?
Ich denke nämlich, das können ja auch andere das ist nichts Besonderes.
Liebe Fragende,
anscheinend haben Sie eine Menge Gaben. Herzlichen Glückwunsch! Einerseits ist es gut, wenn man so viele verschiedene Dinge kann. Außerdem ist es gut, wenn man die eigenen Fähigkeiten überhaupt sieht und erkennt. Nun wollten Sie aber wissen, ob Ihre Gaben solche sind, die man als Gaben Gottes bezeichnen könnte. Dazu muss ich kurz ausholen.
Wenn m Christentum von "Gaben" die Rede ist, so sind meistens die Fähigkeiten gemeint, die der Heilige Geist den Gläubigen schenkt. Die Pfingstgeschichte (Apostelgeschichte 2) erzählt, wie der Heilige Geist über die Nachfolger:innen Jesu ausgegossen wurde, so dass sie auf einmal in fremden Sprachen reden konnten. Solche besonderen Begabungen waren in den ersten christlichen Gemeinden besonders beliebt. Sie galten als Zeichen dafür, dass man besonders fromm war. Der Apostel Paulus muss sich in seinen Briefen an die Gemeinden immer wieder damit auseinandersetzen, dass es Streit darüber gibt, welche von diesen Geistesgaben oder "Charismen" besonders wertvoll sind. Seine berühmteste Antwort auf solche Streitereien ist das Hohelied der Liebe aus dem 1. Korintherbrief. Darin schreibt Paulus, dass es nicht auf die Charismen ankommt, sondern auf die Liebe. Dazu habe ich mal ein kleines Audiostück produziert. Vielleicht hören Sie sich das an, wenn Sie fertiggelesen haben.
Streitereien darüber, was als "echte" Gabe Gottes gilt, gab es also schon immer. Im Wikipedia-Artikel "Gaben des Heiligen Geistes" sind die verschiedenen Geistesgaben aufgezählt, die in der Bibel genannt werden. Im Neuen Testament sind es diese:
- Mitteilung von Weisheit
- Vermittlung von Erkenntnis
- Glaubenskraft
- Krankheiten heilen
- Wunderkräfte
- Prophetisches Reden
- Unterscheidung der Geister
- Zungenrede und deren Deutung
Gegen diese Liste erscheint Ihre auf den ersten Blick vielleicht wirklich dürftig. Aber an dieser Stelle wird eben wieder wichtig, was Paulus über die Geistesgaben schreibt, nämlich, dass es darauf ankommt, was man aus den Gaben, die Gott einem gegeben hat, macht.
Wenn jemand etwas kann und das für andere einsetzt, dann ist das eben richtig. Alles, jeder einzelne Punkt von dem, was Sie als Gabe für sich entdeckt haben, können Sie so einsetzen, dass es anderen gut tut. Und dann werden Ihre Talente zu Gaben Gottes. Es kommt nicht darauf an, ob andere auch können, was Sie können. Es kommt darauf an, was sie mit diesen Talenten machen. Wenn Sie in Liebe backen, organisieren, Kontakte halten, zuhören und all das, dann tun Sie genau das, warum Gott Ihnen diese Gaben geschenkt hat. Paulus würde sogar sagen: Dann ist genau das Ihre Berufung!
Alles Gute für Sie!
Frank Muchlinsky
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