In unserer Gemeinde hielten wir jahrelang wöchentlich eine sog. "Atempause" ab. Mit Eröffnung, Lied, Bibelstelle nach den Losungen, Austausch, Gebet mit Fürbitten, Vater Unser und Segen. Verantwortlich war ich. Inzwischen ist es aufgelöst, weil die Teilnehmenden in Alters- oder Pflegeheimen sind und keine jüngeren Teilnehmer nachrückten.
Nun ist eine Teilnehmerin zwar noch zu Hause, aber so geschwächt, dass sie niemals mehr in einen Gottesdienst gehen könnte. Heute im Sylvestergottesdienst traf ich eine ehemalige Teilnehmerin, die mich ansprach, ob wir nicht mal mit dieser sehr gläubigen Frau ein Abendmahl feiern könnten.
Unser hiesiger Pfarrer wäre sicher bereit, aber das will sie nicht, weil sie seine Zeit nicht in Anspruch nehmen möchte. Zumal sie kurzfristig absagen müßte, wenn es gerade ihr Zustand nicht erlaubt. Meine Frage: Dürfte ich dies unter Einhaltung der vorgeschriebenen Liturgie übernehmen? Im Gottesdienst habe ich schon oft mit ausgeteilt.
Liebe Frau Gruhl,
vielen Dank für Ihre Frage. Mich beeindruckt, dass Sie so vielen Jahre das geistliche Leben in Ihrer Gemeinde eigenverantwortlich mitgestaltet haben. Sie sind für Ihre Atempause-Gruppe noch immer die Ansprechpartnerin. Sie fühlen sich daher verantwortlich für den Abendmahlswunsch der geschwächten Frau.
Ich möchte Sie ermutigen, Kontakt zu Ihrem Gemeindepfarrer aufzunehmen. Das Sakrament Abendmahl wird in der Evangelischen Kirche von entsprechend ausgebildeten und dazu berufenen Personen gereicht. Das sind Pfarrer*innen und ehrenamtliche Laienprediger*innen, sogenannte „Prädikant*innen“. Die Antwort auf Ihre Frage ist daher: Als entsprechend ausgebildeter und von der Kirche dazu berufener Laie dürften Sie das Abendmahl reichen und feiern.
Ihr Gemeindepfarrer ist für genau solche Abendmahlsanfragen wie die der geschwächten Frau ausgebildet. Für eine kurzfristige Absage aus gesundheitlichen Gründen wird er Verständnis haben. Mit ihm können Sie außerdem beraten, welche Formen für die geistlichen Begleitung Sie wählen können, wie z.B. ein Lied, ein Gebet und ein Segen.
Wäre die Ausbildung zur Prädikantin etwas für Sie? Sie haben bereits so viel Erfahrung mit liturgischer Gestaltung gesammelt, Ihre Begabung kam bereits vielen Menschen zugute. Als Prädikantin könnten Sie dann nicht nur das Abendmahl reichen, sondern auch eigenverantwortlich Gottesdienst feiern und Kinder taufen.
Für diesen aktuellen Fall nützt Ihnen diese Ausbildungsmöglichkeit zunächst nichts. Da Sie bereits Erfahrung mit dem Austeilen des Abendmahls haben, könnten Sie eventuell gemeinsam mit Ihrem Pfarrer das Abendmahl im Haus der geschwächten Frau gestalten. Wäre das eine Idee?
Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und Gottes Segen für Ihre ehrenamtlichen Dienste.
Herzlichst,
Ihre Helena Malsy