Hallo. Meine Mutter ist vor über einer Woche verstorben. Wir hatten von Mitte März bis zum Juni bitteren Streit, der von mir angetrieben wurde. Ostern kein Ostern zusammen usw.. Im Juni dann durch meinen Geburtstag kam es wieder zum Kontakt. Meiner Mutter ging es da auch schon sehr schlecht wegen ihrem COPD. Von meiner Seite kam, wenn sie mal wieder wegen Luft jammerte (heute weiß ich, zurecht jammerte) dass ich mich ignorant und unfair verhalten habe, es abgetan habe. Als es ihr dann immer schlechter ging, habe ich geholfen, wo ich konnte. Bin zu ihnen runter nachts, wenn mein Vater mich um Hilfe bat, weil meine Mutter fast nicht mehr zur Toilette konnte. Das ging einige Wochen. Trotzdem quält mich der Gedanke, was vorher war. Der unnötige große Streit über Lappalien, ich war sehr ungerecht. Meine Kindheit war nicht einfach, trotzdem habe ich den Kontakt zu meinen Eltern aufrecht gehalten. Im Gegensatz zur Schwester. Da ist der Kontakt seit 30 Jahren nicht mehr. Es zerreißt einen nach dem Tod, weil man Gesagtes und was man getan hat, nicht mehr rückgängig machen kann. Da fragt man sich, nimmt sie es schmerzhaft mit, da wo sie jetzt ist?!? Ich rede ständig mit ihr, obwohl sie nicht mehr da ist, entschuldige mich für alles und denke.....bringt das alles etwas? Oder will ich mich damit nur trösten? Am Donnerstag ist die Beerdigung. Das wird sehr schlimm mit all den Fragen, die man im Kopf hat.
Liebe Mona,
vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre Frage. Ich höre heraus, dass Sie sich schuldig fühlen, weil es diese Situationen des Streits mit Ihrer Mutter gab und vor ihrem Tod vielleicht keine Aussprache über Geschehenes und Gesagtes mehr stattfinden konnte. Nun fragen Sie sich, wie Sie mit der Situation fertig werden können und ob eine Versöhnung und ein Verzeihen noch möglich ist. Ich kann gut verstehen, dass Sie das beschäftigt und finde es ganz persönlich auch nachvollziehbar, dass Sie nun mit Ihrer verstorbenen Mutter reden und die Dinge aussprechen, die Sie bisher vielleicht nicht sagen konnten. Denn indem man etwas in Worte fasst, wird es für einen selbst schonmal etwas klarer, und Dinge über die man sich im Klaren ist, lassen sich auch eher bewältigen, denke ich.
Was nach dem Tod kommt, das wissen wir Menschen nicht und wir können es mit unserem Verstand auch nicht durchdringen. Aber wir können uns in unseren Herzen Bilder davon machen. Mir helfen dabei auch Bilder und Vorstellungen aus der Bibel. Zum Beispiel schreibt Paulus im 1. Korintherbrief: "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin." (1. Kor. 13, 12) Daraus spricht für mich die Hoffnung, dass auch wenn wir Menschen in unseren Leben Fehler machen und manches uns unerklärlich bleibt, bei Gott die Dinge, die wir nicht verstehen, oder die wir bereuen, geordnet werden. Und dass alles, was zerbrochen ist, bei ihm zusammengesetzt und heil wird. Das ist für mich eine tröstliche Vorstellung. Ähnlich geht es mir auch mit den Worten aus Offenbarung 21,4: " und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein". (Offb. 21,4) Es gibt für solche Hoffnungen keine "Beweise". Aber für mich ist es eine hilfreiche Vorstellung, dass Gott alles Unvollständige und Ungelöste in unserem Leben am Ende bei sich aufnimmt und uns dann auch mit uns selbst und anderen versöhnt. Vielleicht können solche Gedanken auch Ihnen helfen, mit der Situation Frieden zu schließen? Möglicherweise kann es auch helfen, wenn Sie das, was Sie beschäftigt und belastet, im Gebet vor Gott bringen. Und darauf hoffen, dass er die Dinge ordnet, auch für Ihre Mutter.
Sie schreiben ja, dass die Trauerfeier noch bevorsteht. Auch da kann ein Ort sein, wo Sie im Stillen noch einmal ablegen, was Sie quält, oder es sogar aussprechen. Wir dürfen das alles vor Gott werfen und hoffen, dass er uns auch in Situationen von Not und Sorge und Schuldgefühl nicht alleine lässt und uns hilft, damit zu leben. Vielleicht hilft es auch, wenn Sie mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer, der/die die Trauerfeier gestaltet, darüber sprechen, was Sie belastet und er oder sie das für Sie stellvertretend nochmal in Worte fasst.
Ich hoffe, meine Antwort konnte Ihnen ein bisschen weiterhelfen und ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihren Weg!
Mit herzlichen Grüßen, Ihre Anna Scholz