Betriebsseelsorge

Gast
Hallo, Herr Pastor!

Ich bin von Beruf Krankenschwester und arbeite bei der Sozialstation. Vor einiger Zeit hatten wir Fortbildungen zum Thema Alkoholsucht und Medikamentensucht als Arbeitnehmer im Betrieb, Mobbing und Burn out. Eine Betriebsseelsorgerin hat diese Fortbildungen abgehalten. Nachdem Fragen zu ihrer Person gestellt wurden, hat sie mitgeteilt, dass sie gar keine Betriebsseelsorgerin sei sondern Sozialpädagogin und dass Betriebsseelsorge eingerichtet wurde, weil kath. und evang. Kirchen ihren "Missionsauftrag" erfüllen möchte.

1. Frage
Es besteht ein weitgehender Konsens dahingehend, dass es sich bei Seelsorge um ein Gespräch im "kirchlichen Kontext" handelt. Man könnte Seelsorge auch bezeichnen als ein motiviertes Bemühen um den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit und dessen "Beziehung zu Gott". Die Sozialpädagon führt aber ein normales Beratungsgespräch mit der betroffenen Person durch, ohne Weitervermittlung ins Kloster oder zu einem Taizee Wochenende oder zu einer kirchlichen Singstunde oder einem sonstigen kirchlichen Angebot.
Was soll also der Missionsauftrag der Kirche sein? Warum wird dazu fälschlicherweise "Seelsorge" gesagt anstatt Beratungsgespräch.

2. Frage
Warum richtet die kath. und evang. Kirche überall bei jeder Zielgruppe eine "Seelsorgestation" ein, Betriebsseelsorge, Schulseelsorge, Polizeiseelsorge usw.... obwohl es sich gar nicht um Seelsorge handelt.
Warum wird nicht "radikal" durchgegriffen? Probleme wie "Burn out" an der Wurzel bekämpft??? Warum kämpft Kirche nicht um gesunde Arbeitsbedingungen? Dann wären diese Betriebsseelsorgestellen gar nicht nötig! Außerdem gibt es bereits außerkirchliche Beratungsstellen zu Hauf, gehen diese Dank der Kirchen in Konkurs? Es ist doch schizophren, landesweit Seelsorge durch Sozialpädagogen einzurichten und gleichzeitig die Probleme in Betrieb, Schule usw.....einfach zu belassen!

Weil ich selber Mobbingopfer von Kirchenmitarbeitern bin, möchte ich darauf hinweisen, dass die Kirchen erstmal ihre internen Probleme bereinigen sollten, anstatt scheinheilige Seelsorgeeinrichtungen als Missionsauftrag der Kirchen zu verkaufen!

Liebe Gast,

„Betriebsseelsorge“ ist ein Begriff, der in der Regel von der katholischen Kirche benutzt wird. So weit ich das sehen kann, gibt es lediglich in Baden-Württemberg so etwas wie eine evangelische Betriebsseelsorge, die übrigens auch eng mit der katholischen zusammenarbeitet. Normalerweise spricht man im evangelischen Raum vom „Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt“ (KDA), also nicht bereits im Namen von einem seelsorglichen Geschehen.

Ich habe Ihre Frage an zwei Menschen weitergeleitet, die beide in diesem Bereich arbeiten. Beide haben auf ihre eigene Weise auf Ihr Anliegen geantwortet.

Renate Fallbrueg, KDA Nordelbien wrote: Liebe „Gast,

es ist gar nicht so einfach, auf Ihre berechtigten Anfragen in aller Kürze zu antworten. Denn wonach Sie fragen ist nicht weniger als nach der Glaubwürdigkeit der Kirche. Müsste die Kirche nicht sozialer, menschlicher und ehrlicher sein als jeder x-beliebige Betrieb, jedes Unternehmen Y ?. 

Müsste die Kirche nicht viel deutlicher Position beziehen für gesunde Arbeitsbedingungen und  vielem mehr und vor allem in den eigenen Arbeitsbereichen damit anfangen? 

Und müsste nicht in allem was Kirche tut, ob Beratung oder Veranstaltungen deutlich werden, wo und wie  sich die Kirche  von anderen Beratungseinrichtungen oder Veranstaltungsträgern inhaltlich unterscheidet? 

Immer wieder  geschieht genau das  in kirchlicher Arbeit. Das Evangelium wird glaubwürdig vermittelt und das angebotene Beratungsgespräch, die angebotene Fortbildung führt zu Hilfe, Stärkung und neuen Perspektiven.  Und immer wieder geschieht dies auch nicht. Es kommt zu Enttäuschungen, Irritationen oder Ärger. Die Gründe dafür sind manchmal organisatorischer Art und manchmal passen Menschen nicht zueinander.

In vielen kirchlichen Arbeitsbereichen arbeiten nicht nur Pastorinnen und Pastoren, Seelsorgerinnen und Seelsorger, sondern auch andere Fachkräfte, die ihre Fachkompetenz im Namen der Kirche nach innen und außen vertreten. Der Gedanke, der dahinter steht ist, dass die evangelische Kirche nicht nur eine Stimme hat, sondern viele. Dass die  evangelische Kirche nicht nur einen  Weg zum Ziel kennt,  sondern viele. Das enttäuscht, verwirrt und nervt auch zuweilen, doch hält es etwas wach, das Martin Luther sehr wichtig war. Die Gemeinschaft der vielen einzelnen Menschen, die nicht durch eine zentrale Kirche gesteuert werden, sondern die für sich selbst  verantwortlich mit anderen um den Glauben, die Liebe und die Hoffnung ringen.
Mein Eindruck ist, sie ringen mit.

Meine Erfahrung in dieser Kirche ist, dass sich für Menschen, die sich auf die Suche begeben, immer wieder Türen auftun, wenn sie Unterstützung, Rat oder Seelsorge benötigen. Manchmal muss man jedoch sehr gezielt danach suchen.

Wenn Sie hierfür Unterstützung in Form von Adressen, Ansprechpartnern etc. für Ihre Region benötigen. stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. 

Mit freundlichen Grüßen
Renate Fallbrüg

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt
RFallbrueg@kda-nordelbien.de

Die zweite Antwort stammt von Landessozialpastor Michael Klaat aus Hannover, der gleichzeitig stellvertretender Bundesvorsitzender des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der EKD ist:

Michael Klaat wrote:
Betriebsseelsorge ist tatsächlich der katholischen Kirche zugehörig. In den evangelischen Kirchen heißt das Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, also KDA.
  • Der KDA hat grundsätzlich auch kirchliche Arbeitsbedingungen im Blick und ist immer wieder einmal auch wegen Mobbing angefragt. Wir im hannoverschen KDA haben für die Beratung auch eine dafür ausgebildete Person.
  • Themen, mit denen wir uns zurzeit ebenfalls beschäftigen, sind u. a. betriebliche Konflikte oder Gesundheit am Arbeitsplatz (gute Arbeit), auch auf dem Hintergrund zunehmender Fehlzeiten, die psychische Ursachen haben.
  • Sie, lieber Gast, haben aus meiner Sicht Recht, dass zwischen Seelsorge und Beratungsgespräch unterschieden werden muss. In unserer konkreten Arbeit merken wir aber immer wieder, dass die Übergänge fließend sind. Manches Beratungsgespräch endet in Seelsorge, oder aus einer Seelsorgesituation ergeben sich Schritte zu weiteren Beratungen.

Ich hoffe, liebe Gast, dass Ihnen diese Antworten ein wenig weiterhelfen konnten und bedanke mich herzlich für die Hilfe bei Frau Fallbrüg und Herrn Klaat. Ich habe bei meiner Recherche erfahren, dass die Mitarbeitenden der Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt ausgesprochen freundlich und hilfreich sind. Ich rate Ihnen also, sich gern direkt an den KDA Ihrer Kirche zu wenden. Hier ein Link zu den KDA vor Ort: http://www.kda-ekd.de/wir-ueber-uns/kda-vor-ort.php

Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky

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