Auf Weihnachten verzichten?

Gast
Weihnachtsmarkt, über den verschwommene Menschen huschen
© Smileus/iStockphoto/Getty Images

Ich bin durch die weihnachtlich geschmückte Stadt spaziert. Das Reisebüro hatte geöffnet und hatte eine Last Minute Reise zu Weihnachten im Angebot. Aus den Konsumpalästen dudelte aufgepeppte Weihnachtsmusik, auf Englisch natürlich We Wish You A Merry Christmas. Von Jesus keine Spur. Auch in den Betrieben und Vereinen finden in diesen Tagen die sogenannten Weihnachtsfeiern statt mit Völlereien und dem Hinweis, dass die Weihnachtsgratifikation nicht ausbezahlt sondern gespendet wird. Von Jesus keine Spur. In der Zeitung wurde auf die Single-Party zu Heilig Abend hingewiesen.

Ich frage mich, ob es wenigstens "weiße Weihnachten" gibt, wenn schon von Jesus keine Rede ist. Auf dem Weihnachtsmarkt habe ich nur die Glühweinstände entdeckt und die Würstchenbuden. Vor ein paar Tagen sind die Weihnachtsmänner haufenweise durch die Stadt gelaufen und haben Werbezettel verteilt. Bin mal neugierig auf die zusammenbrechenden Geschenketische und auf den Christbaum bei mir zu Hause, ob er dieses Jahr gerade gewachsen ist. Wenn ich dran denke, dass viele alte Leute zu Weihnachten alleine in der Stube sitzen und die Leere auf sich wirken lassen, dann wird`s mir ganz kalt um`s Herz. In Anbetracht dessen, möchte ich fragen, ob man nicht generell auf Weihnachten verzichten könnte?

Lieber Gast,

Ihre Traurigkeit darüber, dass in der Adventszeit ein großer Weihnachtsrummel herrscht, in dem die christliche Botschaft vom Warten auf die Geburt Jesu Christi untergeht, kann ich gut verstehen. Doch wollen wir uns wirklich dieses wunderbare Fest von den Würstchenbratern, Glühweinverkäufern und den Kaufhäusern wegnehmen lassen? Nein, ich bin mehr dafür, dass alle die, denen Weihnachten am Herzen liegt, weil dort Gott Mensch geworden ist, diese wunderbare Botschaft immer wieder laut in die Welt hinausposaunen. Zu Heilig Abend werden die Kirchen wieder brechend voll sein, und das ist gut so: Egal mit welchen Motiven die Leute dann zu den vielen Gottesdiensten gehen werden – dann geht es genau darum: Gott kommt in die Welt!

Bis es so weit ist, ist Adventszeit – eigentlich eine Fastenzeit, eine Zeit des Wartens und der Vorbereitung auf dieses große Fest – und eine Zeit, in der wir Spuren suchen können, Hinweise auf das kommende Weihnachten. Vielleicht ist diese Suche gerade auf Weihnachtsmärkten besonders schwierig, doch gibt es sie immer wieder – klein und versteckt: Der Obdachlose, der am Rand des Trubels sitzt, die Spendendose von Brot für die Welt, vielleicht ist sogar die Einladung zur Singleparty eine sehr adventliche Sache: Wir hoffen darauf, dass wir nicht allein bleiben müssen. Und die vielen Weihnachtsmänner? Sie bleiben ein fernes Echo des Heiligen Nikolaus, der mit neunzehn Jahren sein ganzes geerbtes Vermögen den Armen spendete.

Nein, ich mag mir Advent und Weihnachten nicht wegnehmen lassen. Ich will im Advent Spuren suchen und zu Weihnachten das Kind finden.

Ich grüße Sie herzlich!
Frank Muchlinsky

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