Bedeutet die Unterscheidung zwischen Lutherisch und Reformiert noch etwas?

daphoppe
© epd-bild / Mathias Ernert
Die Reformatoren Martin Luther und Johannes Calvin

Hallo!

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich intensiv mit Martin Luther und den Folgen seines Wirkens.
Dabei ist mir aufgefallen, dass heut zu Tage die Rolle der unterschiedlichen Bekenntnisse (lutherisch, reformiert) im Alltag der Kirchengemeinde nur noch eine geringe Rolle spielen bzw. gar nicht mehr zur Profilbildung einer Gemeinde beitragen, abgesehen von der Gottesdienstform.

Angenommen, dass diese Beobachtung für große Teile ev. Gemeinden übertragbar ist, dann frage ich mich, warum gibt es die unterschiedlichen Bekenntnisse noch, wenn sie zunehmend an Bedeutung verlieren?
Wäre es nicht gerade in heutiger Zeit, in der die Kirchen immer mehr Mitglieder verlieren, ein Gewinn die Bekenntnisse zur Profilbildung der Gemeinden zu benutzen? Könnten Sie nicht sogar identitätsstiftend für die Gemeindemitglieder sein?

Ich will bestimmt nicht wieder zur Kirchentrennung zurück. Es ist gut, dass diese überwunden wurde. Doch gibt es nun einmal noch diese Unterschiede, die ja anscheinend auch noch sehr wichtig sind und dann könnte man sie doch auch wieder bewusst machen, oder?

Über eine Antwort würde ich mich freuen.
 

Lieber Herr Hoppe,

Profilierung und Identitätsstiftung sind zweischneidige Schwerter. Je mehr ich auf das Besondere meiner eigenen Konfession hinweise, desto mehr grenze ich mich von den anderen ab. Wie Sie richtig schreiben, spielen die Unterschiede zwischen den verschiedenen evangelischen Konfessionen im Alltag der Gemeinden in der Regel keine große Rolle. Wir betonen heutzutage lieber die Gemeinsamkeiten als dass wir die Unterschiede herausarbeiten. Das mag zu einer „Unschärfe“ führen, doch frage ich mich, ob eine Schärfe hier nicht eher verwirren als klären würde.

Seit einigen Jahren gebe ich Fortbildungen für Erwachsene zu theologischen Themen. Dabei habe ich erkannt, dass selbst die Unterscheidung zwischen katholischer und protestantischer Kirche für viele sogenannte „Laien“ schwer verständlich zu machen ist, und es interessiert die meisten auch nur insofern, als dass sie „immer schon mal wissen wollten, was denn die Unterscheide eigentlich sind.“ Wie viel schwerer wäre es da, die Unterschiede der evangelischen Kirchen auf gewinnbringende Weise zu verdeutlichen! Der Glaube der meisten Menschen mit einem – ich nenne es einmal „lockeren“ kirchlichen Bezug – kümmert sich wenig um die Diskussionen über das „rechte Abendmahlsverständnis“ oder die „doppelte Prädestination“.

Ich plädiere darum eher dafür, dass wir in allen unseren Gemeinden all das Gute, das Hilfreiche, das Frohmachende, das Hoffnungsstiftende unseres Glaubens so verkündigen und leben, dass es Lust macht, dort dabei zu sein. Das ist sicherlich ebenso schwierig, wie die Veröffentlichung eines genauen konfessionellen Profils. Doch wenn es um die Frage geht, was für den Gemeindeaufbau erfolgreicher ist, setze ich auf den ersten Weg.

Ich grüße Sie herzlich!
Frank Muchlinsky

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