Prädestinationslehre - Wie steht die evangelische Kirche dazu?

David
Mann steht vor zwei Pfeilen
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Wie steht die evangelische Kirche heute zur Prädestinationslehre?

Soweit ich weiß, ist diese ja nicht nur von Calvin, sondern auch bereits von Luther vertreten worden.

Vielen Dank und viele Grüße

David

Lieber David,

die Lehre von der göttlichen Prädestination wird auch manchmal Lehre von der göttlichen Gnadenwahl genannt. Dieser andere Name zeigt, um was es dabei im Kern geht: Hier soll erklärt werden, warum eigentlich manche Menschen glauben und damit die Gnade Gottes erfahren und andere nicht.

Warum glauben manchen Menschen und andere nicht. Das ist ja eine Frage, die bis heute aktuell ist. Kann ich eigentlich selbst dafür sorgen, zu glauben? Klappt es, wenn ich es nur ganz besonders stark möchte? Mit solchen Fragen kann man Menschen, die gerne glauben wollen, auch unter Druck setzen: Du versuchst es nicht gut genug! Oder auch: Wenn du dich mit einer Spende an die Gemeinde wendest, dann wird es mit dem Glauben vielleicht etwas werden.

So ähnlich hat es die mittelalterliche Kirche gemacht als Martin Luther, nach dem Sie ja gefragt haben, gelebt hat. Durch den sog. Ablass konnten die Menschen sich Gottes Gnade sozusagen erkaufen. Dafür mussten sie Geld an die Kirchen bezahlen und wurden dafür von „ihren Sünden“ freigesprochen. Was Sünden waren und was nicht, hat aber die Kirche entschieden und konnte so die Kontrolle über die Gläubigen ausüben.

Das regte Luther auf. Er hat also in vielen seiner Schriften betont, dass der Mensch nichts dafür tun kann, dass Gott ihm seine Gnade schenkt. Wenn man diesen Gedanken allerdings weiterdenkt, dann führt das dazu, dass Gott eben schon vorentschieden haben muss, wer für die Gnade „prädestiniert“ ist und wer nicht. Das hört sich hier recht harmlos an, dass jemand nicht für die Gnade vorbestimmt ist. Aber in der mittelalterlichen Gedankenwelt bedeutete das: Ewige Verdammnis.

Luther selbst hat schon gesagt, dass diese Vorstellung für Menschen schwer zu ertragen ist. Er hat deswegen eher betont, dass wir Menschen nicht darüber nachdenken sollen, ob wir erwählt sind. Im Gegenteil sollten die Menschen einfach glauben. Luther war nämlich der Ansicht, dass es uns Menschen überfordern würde, wenn wir selbst für unser Heil sorgen müssten. Also z.B. durch besonders heftiges Versuchen, alle Gebote einzuhalten. Dass das nicht geht, hat Luther an sich selbst erfahren. Diese Erfahrung, es einfach nicht zu schaffen, Gott zu gefallen, hat ihn umso mehr auf die Idee gebracht: Wir Menschen können nichts zu unserem Heil beitragen. Dass das ein gewisser Widerspruch dazu ist, dass Glauben an Jesus zum Heil führt, stimmt. Aber Luther war auch der Ansicht, dass wir Menschen Gott nicht ganz verstehen können. Wir sollten einfach an ihn glauben.

Die Vorstellung, dass Gott einigen Menschen gar keine Chance gibt, ist für die meisten Menschen heute wohl trotzdem schwer verständlich. Sollte Gott wirklich vor aller Zeit schon vorentschieden haben, wer erwählt ist und somit das "Ewige Leben" erhält und wer auf ewig verdammt sein soll? Letztlich war Luther eben auch nur ein Mensch, der versucht hat, „Gottes Wegen zu ergründen“. Wir müssen, auch wenn wir evangelisch sind, seine Gedanken also auch gar nicht teilen.

Ich denke, was man aus dem Nachdenken über die Prädestinationslehre lernen kann, ist: Es ist für uns Menschen schlicht nicht zu verstehen, warum manche Dinge sind, wie sie sind. Denken wir an die Opfer des Kriegs und der Ukraine oder im Nahen-Osten zurzeit. Manche Kinder, die dort sterben, hatten keine Chance, aus ihrem Leben etwas zu machen. So etwas lässt sich einfach nicht verstehen. Man kann aber hoffen, dass Gott dieser schlimmen Ungerechtigkeit in dieser Welt eine Gerechtigkeit entgegensetzt, die wir zwar hier und heute nicht verstehen. Die aber dennoch kommen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Konstantin Sacher

 

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