Persönlicher Gottesglaube

Pia

Lieber Herr Muchlinsky,

 

ich schlage mich mit einer Frage herum, die mich aus persönlichem Grund sehr beschäftigt. Ich habe in meiner Familie charismatisch glaubende Menschen. Jetzt war z.B. eine Hochzeit, und sie haben um gutes Wetter gebetet. Das verstehe ich, wenn es dann auch eintritt, heißt es natürlich, das war eine Gebetserhörung. Zur gleichen Zeit sterben irgendwo anders Menschen bei Überschwemmungen und schweren Unwettern.

Kümmert sich Gott wirklich um das Wetter? Ich komme mir schon ein bisschen komisch vor bei dieser Frage!

 

Vielen Dank für eine Antwort und herzliche Grüße Pia

Liebe Pia,

 

Es besteht überhaupt kein Grund, sich bei Ihrer Frage komisch zu fühlen! Wie schön wäre es doch, wenn wir ein Gebet wie eine Wunschmaschine verstehen könnten! Wir müssen nur genau der Betriebsanleitung folgen, und dann gehen unsere Wünsche und Bitten in Erfüllung. Sie haben vollkommen Recht: Viele Menschen beten auf diese Weise: Ich bitte um etwas, und wenn es eintrifft, dann hat Gott mein Gebet erhört. Wenn es nicht eintrifft, habe ich die Möglichkeit, das meinem Gebet anzulasten, ich kann sagen: Dann habe ich nicht richtig gebetet, nicht ausreichend geglaubt. Oder ich kann es Gott anlasten und sagen: Gott interessiert sich nicht für mich oder überhaupt für die Menschen. Oder aber, ich sage: Es kann keinen Gott geben, denn er erhört ja die Gebete der Menschen nicht. Welchen Weg man beschreitet, hängt in der Regel davon ab, als wie fromm man sich selbst versteht. Wenn Ihre Verwandtschaft charismatisch geprägt ist, wird sie sich als ausgesprochen fromm verstehen und also den ersten Weg wählen, wenn ein Gebet nicht erhört wird, also sagen: Wir haben nicht genügend geglaubt oder nicht inbrünstig genug gebetet.

 

Nun ist ein Gebet aber eben keine Wunschmaschine. Gebete sind vielmehr Gespräche mit Gott. In denen man Gott durchaus sagen kann, was einen bewegt, was einen bedrückt oder fröhlich macht. Wir dürfen davon ausgehen, dass Gott uns zuhört, aber wir können nicht davon ausgehen, dass wir Gott mit unserem Gebet "zwingen" können, unsere Wünsche zu erfüllen. Wenn wir uns Gott wie einen liebevollen Vater oder eine liebevolle Mutter vorstellen, dann lässt sich das vielleicht besser verstehen. Auch Eltern werden ihren Kindern nicht jeden Wunsch erfüllen. Sie haben mehr zu bedenken, als den augenblicklichen Wunsch ihrer Kinder. Sie schauen mit anderen Augen.

So stelle ich mir Gott vor, als denjenigen, der mit anderen Augen schaut, als wir das jemals können. Gott hat einen viel größeren Plan als wir. Macht Gott das Wetter? Ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Ich glaube, dass Gott die Welt geschaffen hat mit allem Sonnenschein und allem Regen, ja auch mit Überschwemmungen und Dürre. Aber ich glaube weder, dass ich ihn um schönes Wetter für meine Party bitten sollte, noch dass Gott Überschwemmungen "schickt", um Menschen zu peinigen.

 

Wie gesagt: beten heiß mit Gott sprechen. Und ich kann ihn selbstverständlich bitten, eine Überschwemmung zu beenden. Ich kann ihm natürlich für das schöne Wetter danken. Aber beim Gebet  kommt es darauf an, dass ich mich von Gott gehört fühle, nicht darauf, dass mein Wunsch in Erfüllung geht.

 

Ich grüße Sie sehr herzlich!

Ihr Frank Muchlinsky

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