Pfarrer mit ungetauftem Partner?

Alexander
Zwei Männer von hinten  in einer Kirche
Getty Images/iStockphoto/JayKay57

Liebes Team, ich bin ein homosexueller Mann und mit einem Mann verheiratet, der nicht getauft ist. Er unterstützt mich zwar in meinem Glauben, aber er selbst ist nicht getauft und möchte das auch nicht.

Da ich gerne evangelische Theologie studieren möchte und auch das Pfarramt eine gute Option für mich darstellt, ist meine Frage: Ist es realistisch, als offen homosexueller Mensch Pfarrer zu werden, der eben keinen getauften Partner hat, oder soll ich mein Studium gar nicht erst beginnen? 

Ich kenne die kirchlichen Bestimmungen, mich würde aber mal eine ganz realistische Einschätzung interessieren. Vielen Dank und herzliche Grüße!

Lieber Alexander,

die evangelischen Landeskirchen haben sich im Pfarrdienstgesetz der EKD auf bestimmte Regeln geeinigt, die für alle Landeskirchen gelten. Sie schreiben, dass Sie diese kennen. Ich möchte hier trotzdem einmal die meines Erachtens entscheidenden Paragraphen zitieren:

Um Ehe und Familie geht es in Paragraph 39. Hier heißt es unter anderem:

( 1 ) Pfarrerinnen und Pfarrer sind auch in ihrer Lebensführung im familiären Zusammenleben und in ihrer Ehe an die Verpflichtungen aus der Ordination (§ 3 Absatz 2) gebunden. Hierfür sind Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung maßgebend.

( 2 ) Pfarrerinnen und Pfarrer sollen sich bewusst sein, dass die Entscheidung für eine Ehepartnerin oder einen Ehepartner Auswirkungen auf ihren Dienst haben kann. Ehepartnerinnen und Ehepartner sollen evangelisch sein. Sie müssen einer christlichen Kirche angehören; im Einzelfall kann eine Ausnahme zugelassen werden, wenn zu erwarten ist, dass die Wahrnehmung des Dienstes nicht beeinträchtigt wird. (PfDG.EKD §39. Absätze 1 und 2)

Der erwähnte Paragraph 3, Absatz 2 lautet so:

„Die Ordinierten sind durch die Ordination verpflichtet, … sich in ihrer Amts- und Lebensführung so zu verhalten, dass die glaubwürdige Ausübung des Amtes nicht beeinträchtigt wird.“ (PfDG.EKD §3)

Wir können festhalten: 

  1. Ordinierte haben ihre Ehe so zu führen, dass sie ihr Amt glaubwürdig ausführen können. Das heißt im Zusammenhang mit der Ehe, dass sie verbindlich, verlässlich und verantwortlich geführt wird.
  2. Pfarrerinnen und Pfarrer sollen sich klar darüber sein, dass ihre Ehe nicht vollkommen „Privatsache“ ist. Die Wahl der Partnerin oder des Partners kann Auswirkungen auf den Dienst haben.
  3. Ehepartner:innen sollen evangelisch sein.
  4. Ehepartner:innen müssen christlich sein. Von dieser Regel kann es eine Ausnahme geben, wenn man davon ausgehen kann, dass das den Dienst nicht beeinträchtigt.

Schauen wir also Ihren „Fall“ mal an. Zunächst können wir feststellen, dass nirgends davon die Rede ist, ob eine Ehe gleich- oder verschiedengeschlechtlich sein soll. Mit anderen Worten, für gleichgeschlechtliche Liebende gilt dasselbe wie für gemischtgeschlechtliche Liebende. Die Formulierung, dass „die Entscheidung für eine Ehepartnerin oder einen Ehepartner Auswirkungen auf ihren Dienst haben kann“, kann man natürlich so verstehen, dass es Gemeinden geben kann, in denen Leute die Nase über einen schwulen Pfarrer rümpfen. Das ist aber kein Hinderungsgrund für die Anstellung. Das Gesetz will hier nur deutlich machen, dass man sich darüber klar sein muss, dass die Leute hingucken, und dass das eine Auswirkung haben kann, wie gut man den Dienst ausüben kann. Das gilt aber – wie gesagt – unabhängig von der sexuellen Orientierung. 

Ihr Mann ist kein evangelischer Christ, und damit „verstieße“ Ihre Ehe gegen zwei Aussagen aus Paragraph 39. Vor allem, dass er nicht getauft ist, könnte man Ihnen – wenn man das möchte – als Ausschlusskriterium vorhalten. Allerdings könnte in Ihrem Fall eine Ausnahme gemacht werden, die das Gesetz ja ausdrücklich vorsieht, denn Sie schreiben, dass Ihr Mann Ihren Glauben unterstützt. Das ist es, worauf es den Autor:innen des Gesetzes, meines Erachtens, am meisten ankommt: Sie sollen als Pfarrer Ihren Dienst gut ausüben können. Und mit einem Mann, der Sie in Ihrem Glauben unterstützt, scheint mir das gewährleistet.

Sie fragen auch nach einer „realistischen Einschätzung“. Nun, was die Tatsache angeht, dass Sie mit einem Mann verheiratet sind, so sollte das eigentlich kein Problem darstellen. Ich weiß wohl, dass es noch Landstriche gibt, die mit offen gelebter Homosexualität von Pfarrer:innen Probleme haben, aber die Mehrheit macht hier keine Unterschiede mehr. Was die Tatsache angeht, dass Ihr Mann kein Christ ist, so würde ich an Ihrer Stelle auf eine entsprechende Ausnahmeregelung hoffen und das am besten bereits vor ihrem Studium mit der Landeskirche besprechen, in die Sie sich später ordinieren lassen möchten. 

Ich bin recht zuversichtlich und drücke Ihnen die Daumen!

Herzlich

Frank Muchlinsky  

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