Gottesdienst halten im Ruhestand?

Dorothea Kuhn
Pfarrerin legt die Hände vor Talar zusammen
© epd-bild/Peter Endig (Symbolbild)

Unsere Pfarrerin geht zum 1.7. in Ruhestand und hat von ihrem Dekan die Auflage erhalten, dass sie ein Jahr lang keinen Gottesdienst halten darf, obwohl hier Pfarrernotstand ist.

Liebe Frau Kuhn,

ich kann Ihre Verwirrung gut verstehen. Es ergibt erst einmal keinen rechten Sinn, wenn man Pfarrerinnen oder Pfarrern im Ruhestand verbietet, Gottesdienste zu halten, wenn sie doch gebraucht werden. Nun kenne ich die Situation in Ihrer Gemeinde nicht, aber ich möchte für Ihren Dekan doch annehmen, dass er diese Entscheidung nicht aus Bosheit getroffen hat, sondern weil er ein bestimmtes Ziel verfolgte. 

Ich kann mir durchaus Situationen ausmalen, in denen es gut wäre, dass eine gerade in den Ruhestand versetzte Pfarrerin zunächst eine "Zwangspause" in Sachen Gottesdienst einlegt. Nehmen wir an, dass es eine Nachfolge gibt, eine Person, die nun die Gemeinde leiten soll. Für diese Person ist es ausgesprochen schwierig, ihr eigenes Profil dort zu zeigen, wenn die Gemeinde weiterhin ihre – sicherlich sehr geschätzte – Vorgängerin hat. Man könnte der neuen Person ständig zeigen, wie es doch "eigentlich" oder "richtig" geht. Gerade wenn die Vorgängerin lange in der Gemeinde war und sie sehr geprägt hat, sollte es ein Gebot der Kollegialität sein, der Nachfolge tatsächlich den Platz frei zu machen.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Stelle direkt wiederbesetzt wird, oder ob die Stellensituation mittlerweile dazu geführt hat, dass Gemeinden zusammenarbeiten müssen. Gerade wenn etwas tatsächlich Neues angepackt werden muss, können Menschen, die das Alte und – wie gesagt zurecht Geliebte – repräsentieren, den notwendigen Prozess hindern. Dahinter muss gar kein übler Wille stehen, die "offizielle" Anwesenheit Ihrer Pfarrerin im Ruhestand macht den Eindruck, dass es so weitergehen kann wie bisher.

Natürlich könnte es auch sein, dass Ihr Dekan seine Kollegin einfach schützen möchte. Wenn er öffentlich ein Verbot ausspricht, kann niemand versuchen, sie zu überreden, wenn sie eigentlich keinen Gottesdienst mehr halten möchte. Sie kann einfach darauf verweisen, dass sie nicht darf.

Wie ich schon schrieb: Ich kenne Ihre genaue Situation nicht, darum ist meine Antwort auch recht spekulativ. Aber vielleicht können Sie ein wenig nachvollziehen, welche Überlegungen Ihren Dekan eventuell zu seiner Entscheidung gebracht haben. 

Sehr herzliche Grüße

Frank Muchlinsky

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