Wie soll ich mir Gott vorstellen?

Irene v. Winterfeld
Silhouette mit Wolken
©Marie Maerz / Photocase

Bitte erklären sie mir den Gottesbegriff. Einen persönlichen, als körperlich vorstellbaren Gott gibt es nicht. Ich habe Schwierigkeiten, mir Gott als Begriff vorzustellen.

Liebe Frau von Winterfeld,

bitte erlauben Sie mir, Ihre Frage zunächst mit einem etwas ratlosen "Hmm" zu beantworten. Sie stellen die These auf: "Einen persönlichen, als körperlich vorstellbaren Gott gibt es nicht." Dann fragen Sie einen Theologen nach einer Begriffsklärung des Wortes "Gott". Für einen Pfarrer, also Theologen und Christen, ist Gott kein "Begriff". Suchen Sie wirklich nach einer Begriffsklärung? Dann sollten Sie sich eher an einen Religionswissenschaftler wenden. Der schaut auf Glauben und Religion quasi "von Außen", während ich die Religion "von Innen" betrachte, denn ich bin ein Teil von ihr und Gott ist ein Teil meines Lebens.

Aber vielleicht verstehe ich Sie auch eher richtig, wenn ich annehme, dass Sie einerseits sagen: "Gut, Gott kann man nicht sehen, er hat keinen Körper, wie also soll ich ihn mir dann vorstellen?" Wenn das Ihr Anliegen ist, so kann ich vielleicht ein wenig weiterhelfen. Das Christentum spricht von Offenbarung, wenn es darum geht, wie sich Gott den Menschen "zeigt", selbst, wenn er selbst nicht sichtbar wird. Christen glauben darum, dass sich Gott in der Geschichte immer wieder offenbart, also gezeigt hat. Unser Zeugnis für diese Offenbarung ist die Bibel. Das dürfen wir uns nicht als "Beweis" vorstellen, sondern eben als "Zeugnis", also als Glaubensaussagen, die das Christentum als verbindlich ansieht. In der Bibel wird also erzählt, wie sich Gott den Menschen gezeigt hat. Das geschah bereits zu Zeiten vor Jesus Christus, erhielt aber – so die christliche Meinung – ihren wichtigsten Zug, als Gott in Jesus tatsächlich Gestalt annahm – menschliche Gestalt. Da war er also tatsächlich für eine gewisse Zeit körperlich anwesend.

Diese Vorstellung ist etwas sehr Besonderes und hat eine Menge Konsequenzen für den christlichen Glauben, denn eigentlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit, dass ein allmächtiger, allgegenwärtiger Gott, der sogar das ganze Universum schuf, in einem Menschen, der sterblich und unvollkommen ist, überhaupt "Platz hat", wenn Sie so wollen. War Jesus also nun ein Mensch oder ein Gott? Oder doch beides? Und wie sollte man sich das vorstellen? Generationen von Theologen haben sich darüber die Köpfe zerbrochen und schließlich einigte man sich auf die Ihnen vielleicht bekannte Formel von der Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und heiliger Geist. Die drei "Personen" sind ein Gott – und sind unterschiedlich zu erfahren bzw. zu denken. Der Vater ist der Schöpfer, aus dem alles stammt, der Sohn ist der, der uns nah gekommen ist, weil er Mensch war, und der Heilige Geist ist die Weise, die Gott wirkt, wie er bis heute erfahrbar ist. Das ist freilich sehr, sehr kurz gefasst, und die Lehre von der Dreifaltigkeit ist sehr viel komplexer, doch ich hoffe, dass Sie mir folgen können.

Gott ist also für Christinnen und Christen ein persönliches Gegenüber, dem sie sich anvertrauen, der die Welt schuf, der den Menschen nahekam und der in der Welt wirkt. Der christliche Gott will die Gemeinschaft – mit sich und unter den Menschen. Das ist wichtig, weil Sie nach einem Begriff fragen. Wäre Gott ein Begriff, hätte er keine Bedeutung. Doch als Gegenüber in Beziehung bekommt er diese Bedeutung für diejenigen, die an ihn glauben.

Vielleicht steht nun bei Ihnen zunächst ein "Hmm" im Raum. Trotzdem hoffe ich, dass ich ein wenig erläutern konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Muchlinsky

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