Hallo, ich habe manchmal negative Gedanken. Es sind manchmal ganz dumme, die ich nicht so sehe, wie ich die gedacht habe. Manchmal kommt mir ein Gedanke, z.b. heute morgen, dass ich das alles nicht mehr will oder so. Aber in Wirklichkeit will ich LEBEN ZU 100%! Ich habe dann manchmal Angst, dass Gott sich dann denkt: "Ah, er will das nicht mehr, dann komme ich seinem Wunsch nach." Jetzt frage ich mich, ob Gott aber weiß, dass diese negativen Gedanken nichts mit meiner tatsächlichen Meinung zu tun hat. Generell frage ich mich das häufiger in letzter Zeit. Also, ob Gott weiß, welcher Meinung man tatsächlich ist und über die negativen Gedanken hinweg sieht.
Lieber Dome,
vielen Dank, dass du dich an uns wendest. Bevor ich dir inhaltlich antworte, habe ich eine Bitte an dich. Wenn dir dein Leben zu schwer wird, dann haben wir für dich ein Angebot, das du unmittelbar erreichen kannst: Die Telefonseelsorge. Bitte rufe eine dieser Nummern an, wenn die Gedanken, die dir das Leben zu schwer machen, überhand nehmen: 0800 1110111 oder 0800 1110222. Wir - das Fragenteam von evangelisch.de - brauchen immer etwas Zeit für unsere Antworten und wir antworten dir öffentlich, jede und jeder kann hier mitlesen. Vermutlich suchst du eher einen Kontakt und die Möglichkeit gemeinsam im Gespräch eine Perspektive zu entwickeln.
Ich denke: Negative Gedanken sind nicht selten. Viele Menschen plagen sich mit Gedanken, die sie selbst "dumm" finden, die aber dennoch beständig durch ihren Kopf kreisen. Selbstreflektion, die die Gedanken martert, ist Teil der christlichen Buße. Schon Propheten in der Bibel kämpften gegen die Furcht, dass Gott ihr wahres Wesen möglicherweise nicht erkennt. Der Prophet Jeremia aber hörte Gottes Wort und ist erleichtert: "Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung." (Jeremia 29,11)
Mit anderen Worten: Gott beugt sich nicht den negativen Gedanken, die ein Mensch über sich selbst hat. Gott sieht den Kern, die Person, wie sie ursprünglich gemeint ist. Darin ist er einem persönlich näher, als man sich selbst sein kann, er kennt mich besser, als ich mich selbst kenne. Er denkt im Frieden an dich und mich, während du mit dir selbst kämpfst und er verheißt dir Zukunft und Hoffnung, während du alles nur trüb und verschwommen siehst.
Martin Luther nannte das, was du erlebst, die Anfechtung. Er schrieb in schweren Stunden mit Kreide vor sich auf seinen Tisch: "Ich bin getauft!" Das heißt: Gott nimmt mich so an, wie ich gerade bin, aber seine Liebe durchdringt den dunklen Mantel, den mir meine schweren Gedanken überlegen. Luther war davon überzeugt, dass die Taufe uns hineinnimmt in das Geheimnis des Lebens, das Gott für uns bestimmt hat.
"Denn es ist nicht so, wie ein Mensch es sieht: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an," heißt es in der Bibel im 1. Samuel 16,7. Damals sollte David, der jüngste und unscheinbare Sohn eines Hirten, König von Israel werden. Es hätte stärkere, beeindruckendere Kandidaten gegeben. Aber Gottes geht nicht nach dem, wie jemand wirkt und sich selbst sieht. Darum musst du nicht immer der starke Mensch sein, dem innerlich immer alles klar ist, sondern du kannst dich auch deinen trüben Gedanken stellen, die ja nicht du sind, sondern du bist in deinem wahren Wesen wie Gott dich erschuf.
Also: Gott sieht nicht über deine angeblich dummen Gedanken hinweg, er sieht aber durch sie hindurch, erkennt den echten Kern deiner Person, den hat er selbst erschaffen und dein wahres Wesen, das kann selbst die Anfechtung nicht auslöschen.
Bitte nimm meine Antwort nur als einen Versuch, der dich versehen will und suche dir - gerne über deine Kirchengemeinde oder die Telefonseelsorge - Menschen, mit denen du sprechen kannst.
Viele Grüße von deinem Henning Kiene