Vor einiger Zeit haben wir eine Dachziegel (Feierabendziegel) gefunden, auf
der die folgende Redensart ( ? ) in deutscher Schrift
eingeritzt ist :
O Mensch bedenke Dein Ende und Lebe Wohl auf
dieser Welt a ( anno ? ) 1723.
Stammt dieser Ausspruch eventuell von Luther?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen!
Lieber Herr Frey,
Solche Feierabendziegel sind ja häufig mit Sinnsprüchen oder kleinen Weisheiten beschriftet. Der Spruch, den Sie da zitieren, nimmt das Motiv des "memento mori" auf, also eines sehr alten Motivs, das bis in die Antike zurückreicht. "Bedenke, dass Du sterblich bist!" wurde bereits den römischen Kaisern ins Ohr geflüstert, während sie ihre Triumphzüge anführten. Die Bibel schreibt in Psalm 90: "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden." (Ps 90,12) (Der zweite Teil des Verses war übrigens das Motto des Kirchentags in Stuttgart 2015.)
Der zweite Teil des Spruchs auf Ihrem Ziegel ist eine häufige Konsequenz aus dem "memento mori". Auch hier gibt es bereits ein biblisches Vorbild: Im Buch Kohelet (oder auch Prediger Salomo) heißt es: "So habe ich nun das gesehen, dass es gut und fein sei, wenn man isst und trinkt und guten Mutes ist bei allem Mühen, das einer sich macht unter der Sonne in der kurzen Zeit seines Lebens, die ihm Gott gibt; denn das ist sein Teil." (Prd 5,18).
Ihr Handwerker aus dem 18. Jahrhundert hat wahrscheinlich eine Spruchweisheit dort eingeritzt, die er gehört hat und auswendig kannte, wie wir zum Beispiel "Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben" in unserem Sprücherepertoire haben.
Direkt von Luther ist der Spruch also nicht, aber es ist natürlich nicht auszuschließen, dass er diesen Satz oder einen ähnlichen auch mal sagte.
Herzliche Grüße
Frank Muchlinsky