Fortpflanzung ohne Liebe und Partnerschaft?

Tobias
Frau und Mann von hinten
© Neleman/WIN-Initiative/Getty Images

Hallo.

Ich habe immer wieder, auch in christlichen Zeitungen, gelesen, dass einige Frauen im Internet, in einer Datenbank, einen Erzeuger auswählen (Augenfarbe, Größe etc.) und dann sich eine Samenspende zuschicken lassen und sich befruchten lassen, mechanisch. Als Begründung gilt, dass sie entweder eine Partnerschaft komplett ablehnt oder lesbisch ist.

Ich bin bestimmt kein fundamentalistischer und altkonservativer Christ, aber dass man die Fortpflanzung von der Partnerschaft und damit von Sexualität trennt, muss man nicht gut finden, oder? So wie Gott mit den Menschen einen ewigen Bund der Liebe und Treue geschlossen hat und in dieser Liebe schöpferisch ist, so sollen Mann und Frau einen Bund der Liebe und Treue schließen, auf Gott vertrauen und in ihrer Liebe selbst schöpferisch sein. Ist das nicht das christliche Verständnis von Partnerschaft, Fortpflanzung und Familie?
Oder wenn ein schwuler Mann und eine lesbische Frau miteinander schlafen, nicht weil sie sich lieben, sondern weil sie Kinder wollen, entstellt das die Vorstellung, dass die gegenseitige Liebe sich zu neuem Leben hin öffnet.
Was sagt die evangelische Kirche dazu?

Lieber Tobias,

 

Sie haben durchaus Recht: Die christliche Tradition sagt in Anlehnung an die Bibel, dass die Ehe eine gute Gabe Gottes ist. Gemeint ist damit zunächst die heterosexuelle, auf Nachwuchs angelegte Ehe. Die Bibel beschreibt allerdings ausgesprochen häufig, welche Umwege Menschen gehen, damit sie Nachwuchs bekommen können: Die unfruchtbare Sarah lässt ihren Mann Abraham mit ihrer Sklavin schlafen (Gen 16), Jakob hat Kinder mit zwei Ehefrauen und deren Dienerinnen (Gen 29,31-30,23). Es geht zumindest in diesen biblischen Geschichten nicht darum, der eigenen Partnerschaft durch ein gemeinsames Kind sozusagen "die Krone aufzusetzen", sondern es geht darum, möglichst Nachkommen zu haben. Ein wenig verkürzt gesagt, könnte man formulieren: Eine Familie ist für die Bibel da, wo eine Frau ein Kind bekommt.

 

Die Evangelische Kirche in Deutschlang (EKD) hat in ihrer Orientierungshilfe "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit" deutlich gemacht, dass wir angesichts des vielfältigen Familienbildes in der Bibel den Familienbegriff durchaus weiter fassen können als den von Vater, Mutter, Kinder. Wenn der Kinderwunsch zweier Menschen sehr groß ist, wenn man davon ausgehen kann, dass jemand ein Kind verantwortungs-und liebevoll erziehen wird, dann sollte ihnen erlaubt sein, diesen Kinderwunsch zu erfüllen. Welche Einschränkungen man hier machen sollte, ist nur sehr schwierig generell zu beantworten. Im Vordergrund sollte stehen, dass durch den Weg, den man einschlagen möchte, niemand zu schaden kommt. Nicht zuletzt sollte das Kindeswohl beachtet werden. Wer sich sicher ist, dass er oder sie seinem Kind eine liebevolle und fürsorgliche Erziehung bereitstellen kann, und wer gleichzeitig den Weg zu diesem Kind mit seinem gewissen vereinbaren kann, dem will ich persönlich nicht verbieten, sich den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen.

Genauso wenig würde ich sagen, dass Sie das "gut finden müssen", wenn Kinder außerhalb einer Partnerschaft oder ohne Sexualakt zur Welt kommen. Es ist in jedem Fall eine Gewissensfrage.

Ich grüße herzlich.

Frank Muchlinsky

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