Was sind Adiaphora?

Karsten Reichenberg
Ausstellung über Humanisten und Weggefaehrten von Martin Luther, Philipp Melanchthon, Georg Burckhart, Erasmus von Rotterdam.
© epd-bild/Kristina Schaefer

Paramente bzw. Antependien werden oft auch als "Adiaphora" bezeichnet. Dieser Begriff (ich meine Melanchthon hat damit Glaubensfragen bezeichnet, die nicht unbedingt streitig behandelt werden müssen zwischen Protestanten und Altgläubigen) lässt der sich auf liturgische Textilien anwenden? Und wenn ja, heißt das, dass sie verzichtbar sind? Oder auch weitgehend willkürlich gestaltet werden dürfen?

Lieber Herr Reichenberg,

Adiaphora sind im Grunde genommen Sachen, Themen, Diskussionen, auf die es nicht ankommt. Übersetzt bedeutet Adiaphoron: "Nichts Besonderes, Unausgezeichnetes". Sie können sich vorstellen, und Sie haben es ja auch selbst erwähnt, dass es über die Frage, ob eine Sache es wert ist, sich darüber zu streiten oder nicht, selbst regelmäßig zum Streit kommen kann.

Der sogenannte "Adiaphoristische Streit", auf den Sie anspielen, fand im 16. Jahrhundert statt, und zwar wirklich mit Melanchthon auf der einen Seite. Allerdings war es kein Streit zwischen Protestanten und Katholiken, sondern man stritt sich innerhalb des Luthertums darum, ob es in der Kirche Zeremonien und Riten geben könnte, die für das Heil eines Christenmenschen unerheblich wären. Melanchthon meinte, man könne einige Dinge wie Messgewänder, Hochaltäre oder ähnliche katholische Überbleibsel beibehalten, weil sie einfach keine Rolle spielten. Dagegen standen die sogenannten "Gnesiolutheraner" auf, die der festen Überzeugung waren, in Glaubensdingen gäbe es grundsätzlich keine Dinge, die nicht so wichtig seien.

Auch wenn diese Streitigkeiten längst Geschichte sind, ist es doch amüsant, dass sich auch in der Gegenwart in unserer Kirche immer wieder Menschen über Dinge in die Wolle kriegen können, weil sie sich über Dinge wie Antependien streiten, über die "richtigen" liturgischen Farben, oder über die Frage, ob man in einer lutherischen Kirche den Johannistag begehen dürfe.

Wer diesen Fragen keine Heilsbedeutung zugesteht, wird weiterhin von solchen Menschen angegriffen, die der Überzeugung sind, dass es sehr wohl darauf ankommt, hier nichts falsch zu machen. Ich würde übrigens nicht sagen, dass man in den Fällen der nicht heilsnotwendigen Dinge "willkürlich" vorgehen kann. Alles, was wir tun, hat auch bestimmte Auswirkungen. Wo wir diese Auswirkungen absehen können, sollten wir uns unbedingt überlegen, ob wir es für gut erachten, wenn wir etwas tun oder lassen. Was nun Paramente angeht, so sollte man sich fragen, was sie ausdrücken, wer das versteht, ob man lehren kann, was sie ausdrücken, ob man auf sie verzichten möchte, was man damit ausdrücken würde und so weiter und so fort. Es gibt also sehr viele Fragen und Argumente zu den Adiaphora. Nur dies eine sollte man nicht diskutieren: Ob unser Heil von ihnen abhängt.

Herzliche Grüße

Frank Muchlinsky

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