Wie menschlich war Jesus?

Falk
rothaariger Mann mit Bart und langen Haaren im Gebet
© Pexels / Mikhail Nilov

Guten Tag, Herr Muchlinsky!

Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, dass Jesus ja nicht nur Gott/Gottes Sohn war/ist, sondern auch Mensch. Und dann habe ich mir überlegt, ob er* auch so banale Dinge getan hat, wie Rülpsen und Furzen? Hat er mit anderen gescherzt und gelacht? In der Bibel finde ich dazu kaum etwas. Ich hoffe, das alles ist jetzt nicht blasphemisch. Aber gehört so etwas nicht auch zum Menschsein dazu?

Und wenn Jesus Mensch war, war er dann auch sexuell? War er hetero, bisexuell, schwul, pansexuell oder asexuell?? Wenn ich an diese Geschichte mit dem "Lieblingsjünger" denke, wäre es für mich zumindest erstmal nicht auszuschließen, darüber nachzudenken, ob Jesus nicht vielleicht doch schwul war? Und welche geschlechtliche Identität hatte Jesus als Gott-Mensch-Person? War Jesus wirklich männlich oder doch eher intersexuell oder einfach gar nichts oder irgendwie alles zusammen? Und warum war er wahrscheinlich das eine und nicht das andere?? Und wie steht die Kirche zu alledem??

Ich freue mich, von Ihnen zu hören!

Viele Grüße

Falk

Lieber Falk,

ich merke an der Art, wie Sie Ihre Frage stellen, dass Sie großen Spaß dabei hatten, sich Jesus mal so richtig als Mensch vorzustellen. Eben nicht als vergeistigten Wellenwanderer oder Prediger, sondern als Mensch aus Fleisch und Blut – "mit allem und scharf"! Da kann ich nur sagen: Wenn es Ihnen hilft, sich Jesus näher zu fühlen, können Sie das gern tun. Stellen Sie sich Jesus so menschlich vor, wie Sie nur wollen. Das Gute ist ja, dass die Bibel darüber gerade nichts schreibt. Der Fehler ist nicht, wenn wir uns das eine oder das andere über Jesus vorstellen, das nicht in der Bibel steht, sondern, wenn wir anfangen zu behaupten, so und nicht anders sei es gewesen.

Wenn Sie sich zum Beispiel die verschiedenen Darstellungen von Jesus anschauen, wird Ihnen auffallen, dass er in Europa und Amerika fast ohne Ausnahme als Weißer dargestellt wird. In Afrika ist das nicht unbedingt so. In der Bibel steht über sein Aussehen aber gar nichts. Nicht seine Statur, nicht seine Haarfarbe, und dass er zum Beispiel einen Bart trug, schließen wir lediglich daraus, dass er eben ein frommer Jude war. Ansonsten stellen wir uns Jesus gern so vor, wie wir selbst sind, damit wir uns ihm nahe fühlen können. Wie gesagt, das haben Christinnen und Christen stets getan. Problematisch wird es allerdings, wenn man das nicht mehr hinterfragt. Jesus wird kaum jemals mit semitischen Zügen dargestellt, obwohl man ahnen kann, dass er so aussah. Wir hinterfragen das Bild vom freundlich dreinblickenden jungen Mann mit den lieblichen Gesichtszügen einfach nicht mehr. Darum ist Ihr Ansatz zunächst einmal richtig: Stellen Sie in Frage, was gemeinhin behauptet wird, und für das es keine biblische Begründung gibt.

Kommen wir zur Frage der Sexualität Jesu. Ich denke, wir Christinnen und Christen können glücklich sein, dass die Bibel hier keine Aussage macht. Schon die Tatsache, dass Jesus männlichen Geschlechts war, hat den Frauen in seiner Nachfolge das Leben schwer genug gemacht. Letztlich sollte es doch überhaupt keine Rolle spielen, welches Geschlecht der Erlöser aller Menschen hatte? Wer immer aus seiner eigenen Vorstellung über Jesus sozusagen ein Programm macht, nimmt Jesus anderen Menschen weg. Ich kann mir Jesus als heterosexuell vorstellen. Doch sobald ich behaupte, er wäre heterosexuell gewesen, nehme ich homosexuellen Christinnen und Christen ein wenig von ihrer Nähe zu Jesus. Das gilt natürlich genauso im umgekehrten Fall.

Sie haben nach der dem Standpunkt der Kirche gefragt. Er lautet, Jesus Christus ist der Erlöser aller Menschen. Das ist er durch sein Heilshandeln geworden, also durch die Tatsache, dass in ihm Gott Mensch wurde. Er war so radikal Mensch, dass er litt und starb. Ob er und wenn ja, mit wem er Sex hatte, spielt dafür keine Rolle. Und dennoch: Spekulieren Sie ruhig! Die Frage, ob Jesus gelacht hat, hat im Mittelalter für die angeregtesten Diskussionen gesorgt und uns noch im wunderbaren Buch "Der Name der Rose" von Umberto Eco beschäftigt.

Herzliche Grüße

Frank Muchlinsky

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