Was sagt die Bibel zur Sterilisation?

Maria
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Lieber Herr Muchlinsky,
mein Mann und ich erwarten in diesem Jahr unser fünftes Kind.
Geplant hatten wir eigentlich nur vier Kinder. Das Fünfte hat sich jetzt eingeschlichen und mittlerweile freuen wir uns sehr darauf.
Ich vertrage aus unterschiedlichen Gründen keine hormonelle Verhütung und auf anderem Wege ht sich nun wieder Nachwuchs angekündigt.
Meine Frauenärztin hat mir eine Sterilisation als Möglichkeit vorgeschlagen.
Ich weiß, dass Kinder und Fruchtbarkeit ein Geschenk Gottes ist.
Daher meine Frage:
Wie steht die Bibel zur Sterilisation? Gibt es dazu eine Aussage?
Vielen Dank im Voraus!
Viele Grüße

Liebe Maria,

schön, dass Sie sich mittlerweile auf Ihr Kind freuen können! Ich wünsche Ihnen also zunächst, dass es alles gut verläuft mit Schwangerschaft und Geburt. Nun zu Ihrer Frage.

Die Bibel ist in einer Zeit entstanden, in der die Kindersterblichkeit enorm hoch war. Ebenso starben Frauen viel häufiger bei der Geburt als heute. Eine Frau, die zum Beispiel wie Sie vier gesunde Kinder zur Welt brachte und aufziehen konnte, konnte also mit Fug und Recht von sich behaupten, gesegnet zu sein, denn das war alles andere als selbstverständlich. Die Frage zu verhüten, stellte sich zu biblischen Zeiten im Grunde genommen nicht. Ein einziges Mal wird darauf Bezug genommen, dass jemand sozusagen durch Coitus interruptus verhütete: ein Sohn Judas mit Namen Ger stirbt, bevor er und seine Frau Tamar Kinder haben können. Damit Tamar nicht kinderlos bleiben muss, befiehlt Juda seinem Sohn Onan, mit Tamar ein Kind zu zeugen. Da aber Onan weiß, dass das Kind nicht als seines gelten würde, lässt er seinen Samen auf die Erde fallen. Das missfällt Gott, und auch Onan stirbt. (Gen 38,6-10).

Sie sehen sofort an dieser Geschichte, dass die Maßstäbe der Bibel deutlich andere sind, als diejenigen, mit denen wir heute Sexualität betrachten. Sex ist nach biblischem Verständnis durchaus schön, aber er soll möglichst in jedem Fall zur Schwangerschaft führen. Segen bedeutet, viele Kinder zu haben. Unfruchtbarkeit ist ein großes Unglück. Immer wieder begegnen uns Geschichten von Paaren, die wie im Falle Tamars alles versuchen, um schwanger zu werden. Heute scheuen wir selbstverständlich davor zurück, im Falle von Kinderlosigkeit den Bruder des verstorbenen Mannes zu bitten, doch für Nachkommen zu sorgen. Und erst Recht würden wir es uns verbitten, wenn der Schwiegervater das auch noch bestimmt.

Darum werden Sie auch keine Bibelstelle finden, die Ihnen eine Sterilisation nahe legen würde. Mal ganz abgesehen davon, dass es solch eine Möglichkeit zu biblischen Zeiten noch nicht gab, es gehört einfach nicht in das Weltbild des Vorderen Orients vor über zweitausend Jahren, dass man tatsächlich zu viele Kinder haben könnte.

Trotzdem möchte ich Ihnen eine Antwort geben, die ich aus der biblischen Botschaft sozusagen extrahiere. Der gute Umgang mit den eigenen Kindern ist der Bibel sehr wichtig. Eine Familie, wie auch immer die sich zusammensetzt, soll einander stärken und stützen. Wenn Sie darum sich zu einer Sterilisation entschließen sollten, werden Sie – wenn Sie die Bibel sozusagen Buchstabe für Buchstabe befolgen wollten – etwas Falsches tun. Ich hoffe allerdings, dass mein Beispiel von Onan Ihnen deutlich machen konnte, dass solch ein Umgang mit der Schrift nicht angemessen ist.

Nur einmal angenommen, Sie würden in einiger Zeit mit einem Kind schwanger werden, bei dem Sie es nicht mehr schaffen, sich darauf zu freuen. Sie würden in viel größere Gewissensnot geraten. Und was, wenn Sie sich für ein siebentes oder achtes Kind entscheiden, das Sie nicht mehr so lieben könnten, wie es richtig wäre? Die Bibel bezeugt Gottes Liebe zu den Menschen. Dass unsere Liebe im Unterschied zu Gottes Liebe Grenzen hat, ist ein Teil des Weisheit und Wahrheit der Bibel. Gott will nicht, dass wir uns überfordern, sondern dass wir das Richtige mit dem tun, was uns anvertraut ist.

Darum möchte ich Ihnen schreiben: Denken Sie weiterhin darüber nach, ob Sie sich für eine Sterilisation entscheiden möchten. Sprechen Sie mit Ihrem Mann offen darüber. Es ist ja durchaus auch möglich, dass er sich sterilisieren ließe. Und dann entscheiden Sie im Wissen darum, dass Gott das Leben und die Menschen liebt – eben auch Sie selbst.

Sehr herzliche Grüße!

Frank Muchlinsky

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