Was ist der Unterschied zwischen Eros und Agape in der Bibel?

H. Becker
Was ist der Unterschied zwischen Eros und Agape in der Bibel?
© Nathan Dumlao/Unsplash

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,
neulich stolperte ich über den Begriff Agape, der im Zusammenhang mit biblischen Schriften immer wieder auftaucht. Ich las auch, dass Agape und Eros auf keinen Fall gleichzusetzen wären. Könnten Sie mir hier weiterhelfen und erläutern, worin der Unterschied zwischen den beiden Begriffen besteht? Im Text, den ich vor mir hatte, erschloss sich mir die konkrete Unterscheidung nicht ganz.

Ich danke Ihnen bereits im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen, H. Becker

Lieber Herr Becker,

herzlichen Dank für Ihre spannende Frage! Spannend ist sie, weil das Deutsche eben beide Begriffe mit Liebe übersetzen kann. Allerdings hat Eros in unserer Gegenwart eher den Beigeschmack von bloßem Begehren, also nicht von "richtiger" Liebe. Wer "Eros" hört, denkt an Sex. Eros und Agape sind griechische Wörter. Während wir mittlerweile Eros mit Sex assoziieren, ist Agape eher das, was wir "wahre Liebe" nennen würden. Kurzgefasst könnte man sagen: Agape will nicht haben, sondern will schenken. Sie ist nicht Begehren, sondern Hingabe. Darauf komme ich noch einmal zurück.

Nun aber zur Liebe in der Bibel, denn hier wird es noch einmal anders spannend. Das Neue Testament ist ursprünglich auf Griechisch geschrieben worden. Interessanterweise kommt das Wort Eros nicht ein einziges Mal vor. Nicht einmal in der "Septuaginta", der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, die um 250 vor Christi Geburt verfasst wurde, kommt Eros vor. Dafür taucht in der Bibel neben der Agape ein weiterer Begriff für die Liebe auf: Philia. Auch Philia wird mit Liebe übersetzt, in diesem Fall ist eine gegenseitige freundschaftliche Liebe gemeint.

Es gibt also mindestens drei verschiedene Worte für Liebe im Griechischen. Nun ist das Alte Testament aber ursprünglich auf hebräisch geschrieben worden, und das Hebräische benutzt wie das Deutsche nur ein Wort für die Liebe: "Ahavah". Die Septuaginta, die griechische Übersetzung des Alten Testaments, benutzte nun entweder Agape oder Philia – je nachdem, was den Übersetzern in dem entsprechenden Text als treffender erschien. Das setzt sich auch im Neuen Testament fort: In der Geschichte, in der Jesus Petrus dreimal fragt, ob er ihn liebt (Joh 21,15-17) gehen die Begriffe Agape und Philia munter durcheinander:

Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst (AGAPAS) du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe (PHILO). Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb (AGAPAS)? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe (PHILO). Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb (PHILEIS)? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb (PHILEIS)?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe (PHILO). Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!

Kurz zusammengefasst: Die hebräische Bibel kennt einen Begriff für die Liebe, die griechische benutzt zwei, und diese beiden beinahe willkürlich. Eros kommt nirgends in der Bibel vor. Da stellt sich die Frage: Warum wird kirchlicherseits so häufig vom Gegensatz von Agape und Eros gesprochen? Dazu lohnt es sich, kurz in die Herkunft und Geschichte des Wortes Eros zu schauen. Der Begriff Eros ist zum Beispiel für die Philosophie Platons wichtig. Platon versteht unter dem Eros, dass der so liebende Mensch einen Mangel in sich verspürt, den er füllen will. Darum will er sich dieses Objekt seiner Liebe aneignen. Dabei muss das Objekt dieser Liebe kein Mensch sein. Für Platon will diese Liebe das ergreifen, was hinter der einzelnen geliebten Person steht. Sie will die volle Erkenntnis der Schönheit, die ihn so anzieht, sozusagen die seelische Schönheit hinter der körperlichen. Platons Eros strebt nach den Idealen Vorstellungen, den Ideen hinter dem Schönen und Begehrenswerten.

Kurzum: Eros im platonischen Sinne ist nicht Begehren eines schönen Körpers, sondern Begehren einer dahinterliegenden Idee. Auf jeden Fall aber – und hier kommen die Bedenken der Kirche ins Spiel – gibt es bei dieser Form der Liebe ein Subjekt (den Liebenden oder die Liebende) und ein geliebtes Objekt. Weil aber Liebe etwas gegenseitiges sein soll, weil sie eben im christlichen Verständnis Agape ist, also Hingabe, die (wie Paulus schreibt) "langmütig und freundlich" ist, "sich nicht ereifert, nicht prahlt, sich nicht aufbläht" und so weiter und so fort (siehe 1. Kor 13 "Das Hohelied der Liebe"), darum ist der Eros für viele Christinnen und Christen eher problematisch, weil er eben das geliebte Gegenüber zum Objekt macht. Da fehlt die Gleichberechtigung, da fehlt das Gegenseitige. Und wenn man dann noch Eros mit Sex assoziiert, ist Eros ohne Agape eben leer oder hohl.

Darum wird immer wieder darauf hingewiesen, dass gelungene oder "wahre" Liebe eben beides enthalten muss: Hingabe (Agape) und Verlangen (Eros).

Ich hoffe, ich hab Ihnen die Frage so beantwortet, dass Sie etwas damit anfangen können. Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen einen schönen Valentinstag!

Frank Muchlinsky

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