Gibt es Weihwasser in der evangelischen Kirche?

Martin
Hand taucht in Weihwasserbecken
U. J. Alexander/iStockphoto/Getty Images

Sehr geehrter Herr Muchlinsky, 
in einer Ihrer Antworten meinten sie, dass es bei Protestanten kein Weihwasser gibt. Ich habe jedoch in den USA bei der Lutheran Church Missouri Synode (LCMS) eine Art Weihwasserbecken gesehen und wie ein Pastor sich im Vorbeilaufen die Hand mit Weihwasser benetzt und sich bekreuzigt hat. Denken Sie, das ist symbolisch? Oder ist deren Theologie diesbezüglich katholisch? 
Eine schöne restliche Woche Ihnen :-) Gruß Martin

Lieber Martin, 

Ihre Frage interessiert mich, darum habe ich die Antwort dem Kollegen Frank Muchlinsky einfach weggeschnappt. Die Antwort damals war eindeutig: Es gibt kein Weihwasser in der evangelischen Kirche. Die Begründung ist klar: In den Kirchen der Reformation wird Gottes Segen nur für Lebendiges erbeten. Das beginnt schon in der Schöpfungsgeschichte, im 1. Buch Mose heißt es nur nach der Erschaffung der Menschen: "Und Gott segnete sie." (1. Mose 1,28) Darüber hinaus segnet er den siebten Tag: "Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte." (1. Mose 2,3

Die Reformation hat alle überlieferten Traditionen anhand der Bibel hinterfragt: Ist eine Tradition biblisch begründet? Das Sakrament der Taufe und das Sakrament des Heiligen Abendmahls entsprechen diesem Kriterium. Die Weihe von Wasser lässt sich biblisch nicht belegen. Also gibt es keine evangelische Wasserweihe. Aus normalem Wasser kann man kein "heiliges" Wasser machen. 

Aber: Es gibt auch in Deutschland mindestens eine evangelische Kirche, in deren Eingangsbereich beim Betreten der Kirche an die Taufe erinnert wird. Ich kenne die Gartenkirche in Hannover, in der steht das Taufbecken am Eingang,  in dem Becken befindet sich immer frisches Wasser. Hier benetzen viele Menschen die Finger, bekreuzigen sich mit einigen Wassertropfen, dann erst betreten sie die Kirche. Die Kirchengemeinde schreibt: "Nein, das ist kein Weihwasserbecken! Aber eine Erinnerung an die Taufe darf ruhig auch sinnlich erfahrbar sein, indem man Wasser sehen und berühren kann." (Link) Es gehe also nicht um den schönen Taufstein der Gemeinde, sondern um das Wasser, durch das wir bei der Taufe "hindurchgezogen" worden seien. Ich höre in dieser Erklärung ein Zitat zur Wassertaufe mit, das stammt aus Martin Luthers Kleinem Katechismus: "Es bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe." (Link) Das Eintauchen der Finger in das Wasser erinnert - symbolisch - an die Taufe, und das Kreuzeszeichen stärkt die Erinnerung an Tod und Auferstehung Jesu Christi. 

Aber: Wasser bleibt Wasser, es dient hier ausschließlich der Tauferinnerung. 

Das wird in den evangelischen Kirchen weltweit gleich gesehen. Die besonders streng an Martin Luthers Theologe orientierte amerikanische LCMS sieht das vermutlich nicht anders. Denn: In den Kirchen der LCMS wird der Brauch der Tauferinnerung intensiver gepflegt als bei uns. 

Offen bleibt nun: Sollen evangelische Christinnen und Christen sich mit dem Kreuz bezeichnen? Ich persönlich bin zurückhaltend, ich habe es als Kind und Jugendlicher nicht gelernt. Manchmal fehlen mir sinnliche Riten.  Ich beneide meine katholischen Freundinnen und Freunde darum. Auch weil ich weiß, dass die Reformation das persönliche Kreuzeszeichen gepflegt hat. Ich vermute, es ist erst spät in der Konkurrenz zu unserer römisch-katholischen Schwesterkirche aufgegeben worden. 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und grüße Sie,

Ihr Henning Kiene 

 

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