Kirchentag Vulvenmalen und AfD

Petra H.
Vulven malen auf dem Kirchentag in Dortmund
©epd-bild/Thomas Lohnes
Kirchentagsteilnehmer malten mit Kreide Vulven und Penisse auf dem Boden vor dem Schauspielhaus in Dortmund, da die Versanstaltung überfüllt war.

Guten Tag,
Warum machen die Verantwortlichen des Kirchentages alles mit? Z.B. Vulvenmalen. Gehört so etwas dazu, um Stimmen zu fangen? Mich schockiert es. Gott hat uns Menschen einen wunderbaren Körper gegeben, dem Mann und der Frau. Wir können fruchtbar sei und Kinder zeugen. Aber ganz ehrlich, es steht nicht in der Bibel, dass wir unsere intimsten Stellen der Öffentlichkeit zeigen sollen. Hier stößt mich Kirche ab. Ich bin eine Frau die nicht prüde ist, bin mein Leben lang am FKK- Strand baden gegangen, gehe in die Sauna usw. aber auf dem Kirchentag gehören diese Zurschaustellungen nicht hin.
Ich ärgere mich sehr darüber, da Kirche so viel anderes Gutes zu bieten hat.
Auch die Ausgrenzung der AfD ist nicht gut, denn nur wenn ich im Gespräch mit anders Denkenden bleibe kann ich Schlimmes vermeiden. Hass mit meiner Liebe antworten. Jesu Liebe verkündigen.
Mit freundlichen Grüßen Petra H.

Liebe Frau H.,

Sie haben durchaus recht: In der Bibel steht, dass es der erste Akt der Menschheit war, nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatte, sich zu verhüllen, nicht etwa sich zu entblößen. (1. Mos 3,7) Im Garten Eden waren die beiden Menschen noch im wahrsten Sinne schamlos nackt, doch als sie plötzlich Unterschiede erkannten, schämten sie sich. Zum Menschsein, so sagt diese Geschichte, gehört dazu, sich zu verhüllen. In den folgenden Geschichten wird das sogar noch zugespitzt: Als Noah nach der Sintflut einmal betrunken und nackt einschläft, verflucht er seinen Sohn, weil der sein nacktes Geschlechtsteil sah. (1. Mos 9,18-29) Zum Glück sind wir an diesem Punkt heute weiter, und Sie als FKK-Strand-Gängerin werden auch entsprechend froh sein, dass wir uns an diesem Punkt nicht mehr an biblischen Vorbildern ausrichten.

Dennoch verhüllen wir uns in der Regel die meiste Zeit über und nur eine Minderheit präsentiert ihre entblößten Geschlechtsorgane in der Öffentlichkeit, obwohl auch das mit der Verbreitung von Handys und den verschiedensten Internetplattformen sehr zugenommen hat. Penis und Vulva zu fotografieren oder zu filmen und dann möglichst vielen Leuten zur Ansicht zur Verfügung zu stellen, ist anscheinend ein sich immer weiter verbreitendes Hobby. Das Vulvenmalen auf dem Kirchentag war nun allerdings keine exhibitionistische Veranstaltung. Die Teilnehmerinnen an dem Workshop malten nicht ihre, sondern lediglich eine Vulva. Und das ist der springende Punkt: In einer Gesellschaft, Nacktheit grundsätzlich mit Pornografie verwechselt (so zum Beispiel die Bild Zeitung bereits in ihrer Überschrift "Ist das noch Kirche oder schon Sex-Messe?") wird das genaue Hinsehen auf unsere Geschlechtsteile eben auch mit geilem Glotzen verwechselt. Gerade weil Pornografie heute immer und für jeden griffbereit ist, wird nicht mehr richtig hingeschaut auf den eigenen Körper. Anstatt liebevoll auf sich selbst zu blicken – so, wie Sie es ja auch schreiben, dass wir einen wunderbaren Körper haben – wird ständig verglichen. "Schamlippenkorrekturen" sind 2019 unter den "5 größten Schönheits-OP-Trends" (s. ELLE, Schönheits-OP-Trends-2019). Ist es da nicht geradezu geboten, dass die Kirche möglichst viele Möglichkeiten ergreift, Frauen zu sagen: "Schau! Eine Vulva ist ganz von sich aus etwas Schönes!"

Tja, und was die AfD angeht, so bin ich mal dieser und mal jener Meinung. Es ging ja nicht darum, AfD-Wählerinnen oder –Wähler auszuladen. Mit denen zu reden, ist absolut richtig und nötig, wie Sie ja auch schreiben. Es ging ja eher darum, denjenigen, die ihren Hass gegen Liebe immun gemacht haben, die Podien zu verwehren. Andererseits ist es für die AfD auch wieder einmal eine Gelegenheit, sich als Opfer darzustellen. Ich befürchte, eine wirklich richtige Entscheidung konnte es hier nicht geben.

Ich hoffe, Sie können mit meiner Antwort etwas anfangen.

Ich grüße Sie in jedem Fall herzlich.

Frank Muchlinsky

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