Apokalyptische Reiter und Anti-Christ bei Terry Pratchett

Anne
©Viktor Mikhailovich Vasnetsov /Wikimedia Commons

Guten Tag, ich lese gerne die Romane von Terry Pratchett und oft tauchen bei ihm die Figuren der vier Apokalyptischen Reiter auf. So zum Beispiel auch im Buch "Ein Gutes Omen" (Terry Pratchett und Neil Gaiman). Es ist ein Fantasy Roman und es geht darum, dass der Anti-Christ die Welt ins Verderben stürzt. Bei Terry Pratchett sind die Vier Apokalyptischen Reiter Hunger (Schwarz), Krieg (Rot), Pestilenz (Weiß), Tod (Strahlend weißes Pferd). Woher kommt die Annahme der weiße Reiter sei Pestilenz? Ich habe auf dieser und anderen Internetseiten gelesen, er sei eher eine Art Held, oder Jesus Christus selbst. Gibt es unterschiedliche Auslegungen oder Varianten? Oder haben sich die Autoren der künstlerischen Freiheit bedient? Im Buch hatte der weiße Reiter auch keinen Bogen bei sich. Wer ist der Anti-Christ und wer ist Metatron (im Buch die Stimme Gottes)? und last but not least: Warum regnet es Fische, wenn die Apokalypse beginnt? Ich hoffe, Sie können mir weiterhelfen:) Vielen Dank im Voraus. Mit freundlichen Grüßen Anne

 

Liebe Anne,

 

gut, dass Sie kritisch nachfragen! Die Apokalypse regt die Fantasie der Menschen seit Jahrhunderten an, auch Terry Prachett/Neil Gaimann bedienen sich regelmäßig an den Bildern, die das letzte biblische Buch entwirft. Sie liegen prinzipiell ganz richtig: Es gibt viele verschiedene Varianten in der Auslegung. Besonders die Apokalyptischen Reiter (Offb 6,1–8) tauchen überall in ganz verschiedenen Formen auf. Dass die drei letzten Reiter Unglück bringen, ist im biblischen Text klar. Beim ersten Reiter ist das nicht so deutlich. Man streitet seit Jahrhunderten darüber, was das weiße Pferd und sein Reiter bedeutet.

 

Da sah ich ein weißes Pferd; und der, der auf ihm saß, hatte einen Bogen. Ein Kranz wurde ihm gegeben und als Sieger zog er aus, um zu siegen. (Offb 6,2).

 

Der Reiter hat einen Bogen, ist mit einem Siegeskranz bekränzt und soll „siegen“. Eine Lesart hält diesen Reiter für den siegbringenden, positiv gezeichneten Retter (vgl. Offb 19,11), obwohl die Reiter in Offb 19 eigentlich ganz anders beschrieben werden. Dass der erste Reiter die Pest/Pestilenz bringe, geht vermutlich auf den Kontext von Offb 6 zurück. Dort heißt es (eigentlich über den vierten Reiter), dass mit den Reitern die Macht kam „zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde.“ (Offb 6,8). Alle Reiter bringen also etwas Negatives. Da der erste Reiter ein kriegerisches Symbol trägt, wurde er schon früh mit den schlimmen Folgen des Krieges assoziiert. Martin Luther hat beim ersten Reiter an die Belagerung Wiens durch die Türken gedacht, die für ihn eine Plage waren. Luther war mit seiner Auslegung genauso von einer medialen Bildwelt abhängig wie wir heute. Die dramatische Bildwelt zur Zeit Luthers war davon überzeugt, dass die Reiter allesamt Unglück bringen. Schon auf den Holzschnitten von Albrecht Dürer ist das zu erkennen. In der modernen Fantasyliteratur bedient man sich dieser Bilder ganz frei und passt die Vorstellungen der eigenen Story an, damit es besonders spannend ist.

 

Der Anti-Christ ist auch eine sehr umstrittene Figur mit einer langen und komplexen Wirkungsgeschichte. Kurz gesagt: Er ist ein „Anti-Messias“, ein Gegenspieler zum echten, guten Messias. Im Neuen Testament taucht er nur in 1Joh 2,19.22 und in 2Joh 7 auf. In apokalyptischen Traditionen hat man damit gerechnet, dass es zu einem großen Endkampf zwischen dem göttlichen Messias und einem teuflischen Gegenspieler kommt. In den Johannesbriefen ist er jemand, der Lügen über den wahren Christen verbreitet. In der Offenbarung des Johannes tauchen Figuren wie der „Drache“ (Offb 12) oder der Satan auf, die gegen den wahren Christus kämpfen. Als Symbol für alles, was gegen Christus auftritt, hat sich der Antichrist über Jahrhunderte weiterentwickelt. Bekannt ist z.B., dass Luther den Papst seiner Zeit für den Antichristen hielt.

 

Metatron ist dagegen ein Engel, der in der Bibel nicht vorkommt. Er entstammt der jüdischen Mythologie, wo er das Volk Israel durch die Wüste begleitet hat. Er soll ein hochrangiger Engel im himmlischen Rat gewesen sein. In vielen Traditionen erfreut sich Metatron großer Beliebtheit und belebt die Fantasie. Auch in den Fantasy-Geschichten spielt er eine wichtige Rolle. Z.B. in der Serie Supernatural ist Metatron der Schreiber Gottes und verstößt alle anderen Engel aus dem Himmel. Bei Terry Pratchett ist er dann der Sprecher Gottes.

 

Zuletzt zum Fischregen: Diese Vorstellung bei Terry Pratchett hat wenig mit der Bibel zu tun. In seinen Büchern taucht oft ein magisches Wetter auf, bei dem es Fische regnen (z.B. in Scheibenwelt). In anderen Roman regnet es Frösche. Die sind immerhin als Plage im Buch Exodus (Ex 7,26) über die Ägypter belegt, auch wenn es diese nicht regnet.

 

Sie sehen, die Vorstellungswelt der Bibel beschäftigt uns bis heute. Manchmal haben die Bilder mehr mit der Bildwelt der Bibel zu tun, manchmal weniger/nichts. Bleiben Sie kritisch, lesen Sie weiter!

 

Herzliche Grüße

Helge Bezold

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