Spenden

Bettina Klein

Hallo Frau Heu,

unser Prediger hat am Sonntag aus Mose vorgelesen, dass jeder 10 % spenden soll, unabhängig von seinem
Einkommen. Leider muss ich einräumen, dass ich das nicht verstehe. Ich glaube an einen gerechten Gott,
aber damit habe ich ein Problem, denn dann werden die Armen ja noch ärmer und wer bekommt am Schluss dann das Geld?

Vielen Dank für Ihre Antwort

Bettina Klein

Liebe Frau Klein,

Sie haben recht. Im Alten Testament finden wir Texte, die eine Anweisung belegen, den "Zehnten" zu spenden. Wahrscheinlich hat man in Ihrer Gemeinde Num 18 vorgelesen:

25 Und der HERR redete mit Mose und sprach: 26 Sage den Leviten und sprich zu ihnen: Wenn ihr den Zehnten nehmt von den Israeliten, den ich euch von ihnen bestimmt habe als euer Erbteil, so sollt ihr davon eine Abgabe dem HERRN geben, je den Zehnten von dem Zehnten; 27 und diese eure Abgabe soll euch angerechnet werden, als gäbet ihr Korn von der Tenne und Wein aus der Kelter. 28 So sollt auch ihr die Abgabe für den HERRN aussondern von allen euren Zehnten, die ihr nehmt von den Israeliten, und sollt diese Abgabe für den HERRN dem Priester Aaron geben. 29 Von allem, was euch gegeben wird, sollt ihr die ganze Abgabe dem HERRN geben, von allem Besten das, was davon geheiligt wird. 30 Und sprich zu ihnen: Wenn ihr also das Beste davon als Abgabe nehmt, so soll's den Leviten angerechnet werden wie ein Ertrag von der Tenne und wie ein Ertrag von der Kelter. 31 Ihr dürft es essen an allen Orten, ihr und eure Kinder; denn es ist euer Lohn für euren Dienst an der Stiftshütte. 32 Ihr werdet dabei nicht Sünde auf euch laden, wenn ihr das Beste davon abgebt, und werdet nicht entweihen die heiligen Gaben der Israeliten und nicht sterben. (Num 18,25-32)

Wo im Alten Testament dieser Zehnte noch vorkommt, finden Sie hier in einem überblickartigen Artikel von Rainer Kessler.  

Vielleicht hilft Ihnen dieser Artikel auch damit, Ihre Frage zu beantworten. Denn dafür scheint es mir wichtig, zu verstehen, warum der Zehnte abgegeben werden sollte. Es ging, so lesen Sie es auch bei Kessler, darum, den Staats- und Kultapparat in Stand zu halten und denen, die sich darum kümmerten, dafür das nötige Geld zu Verfügung zu stellen.

Später hat sich diese Tradition, besonders im Mittelalter, erhalten und wurde grundsätzlich in einer ganz ähnlichen Funktion angewandt: die Erhaltung, dann vor allem der kirchlichen und staatlichen Apparate. In den Köpfen einiger Christinnen und Christen hat sich die Abgabe des Zehnten ebenso bis heute erhalten - das merken Sie, wenn der Pfarrer oder die Pfarrerin in der Kirche davon spricht. Trotzdem haben sich die Zeiten natürlich geändert und es ist nicht mehr so, wie es aus historischen Romanen und/oder Filmen häufig bekannt ist, dass die Bauern Ihre Hühner und Schweine als Zehnten abgeben, weil sie so arm sind, dass sie dem Staat oder der Kirche nicht anderes geben können.

Mit der Trennung von Staat und Kirche, die wir in Deutschland final für die Weimarer Reichsverfassung annehmen können, hat sich das System rundum den "Zehnten" verändert. Staat und Kirche sind nicht mehr eins und die Versorgung der Staats- und kirchlichen Anliegen ist getrennt voneinander durch Steuern geregelt.

Natürlich haben Sie recht, dass die Armen, die an der Existenzgrenze leben, den Zehnten, den sie gar nicht haben, nicht abgeben müssen. Die Vorstellung nicht alles das, was man besitzt, nur für sich allein aufzuwenden, sondern es mit denen zu teilen, die nicht so viel haben, ist doch zutiefst eine christliche Idee. Sie müssen ja nicht im Gottesdienst spenden, aber vielleicht bringen Sie, wenn Sie am nächsten Sonntag zum Gottesdienst gehen, dem Bettler vor der Kirchentür eine Süßigkeit oder eine andere kleine Aufmerksamkeit mit. Auch das ist ein Stück des Zehnten, finde ich.

Pia Heu

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