Kommen Andersgläubige (z.B. Muslime) auch in den Himmel oder in die Hölle?
Lieber Freddy,
vielen Dank für Ihre Frage. Um mich mit Ihnen auf den Weg nach einer möglichen Antwort zu machen, muss ich ein wenig ausholen. Wie das Christentum kennt auch der Islam Vorstellungen vom Paradies und auch von der Hölle. Der arabische Name für das Paradies lautet Dschanna und im Koran wird es als der Ort beschrieben, wo Gott am Anfang aller Zeiten Adam und Eva wohnen lässt (Koran, Sure 7:19) und das Paradies beschreibt die ewige Glückseligkeit, die Ziel der Schöpfung des Menschen ist um Gottes grenzenlose Liebe zu empfangen. „Mit dem Paradies, das den Gottesfürchtigen versprochen ist, ist es wie folgt: Unter ihm fließen Bäche und es hat ständigen Ernteertrag und Schatten. Das ist das, was im Jenseits für die Gottesfürchtigen folgt.“ (Sure 13:35)
Die Hölle als eine Heimstätte für diejenigen, die Übles getan haben und nicht rechtzeitig Buße getan haben, wird im Islam Dschahannam genannt (Sure 23:103). Dschhannam wird vorgestellt als eine Feuergrube, über die eine schmale Brücke in den Himmel führt. Alle Seelen der Toten müssen über diese Brücke gehen. Die Verdammten fallen ins Feuer, wenn sie nicht durch die Gnade Allahs erlöst werden. Wie in vielen Religionen hat sich auch im Islam nach und nach Haltungen ergeben, die davon ausgehen, dass Gläubige, die sich an andere Lehren halten, von den Heilsversprechen ausgeschlossen sind. Im Koran gibt es aber auch eine Stelle, bei der das ganz anders klingt: „Siehe, diejenigen, die glauben, die sich zum Judentum bekennen, die Christen und die Sabier – wer an Gott glaubt und an den jüngsten Tag und rechtschaffen handelt, die haben ihren Lohn bei ihrem Herrn, sie brauchen keine Furcht zu haben und sollen auch nicht traurig sein.“ (Sure 2:62)
In der Bibel finden sich im Grunde wenig detaillierte Vorstellungen über die Hölle. Trotzdem sind gerade im Mittelalter allerlei Bilder über einen solchen Ort ewiger Verdammnis entstanden, wo diejenigen, die übel gehandelt haben, im Fegefeuer leiden. Nicht selten dienten solche Bilder dazu Angst und Schrecken zu verbreiten. Die neutestamentlichen Worte Jesu von der Hölle (Mk 9, 43-45; Mt 5,22; 10,28 u.a.) sind allerdings keine Beschreibungen eines Schicksals im Jenseits, sondern es sind vielmehr Appelle an die Hörenden sich im Diesseits für das Evangelium zu öffnen.
Der Theologe Karl Barth wollte das Augenmerk auf die gnädige Seite Gottes legen und gab Christinnen und Christen den Rat, sich die Hölle nicht interessanter werden zu lassen als den Himmel. Mir scheint da etwas dran zu sein. Denn über das Himmelreich weiß das Neue Testament weitaus mehr zu sagen als über die Hölle. Aber auch beim Himmel scheint es dabei nicht um einen umgrenzten, bestimmbaren Ort zu gehen, sondern das Himmelreich, von dem Jesus spricht, ist jetzt schon in dieser Welt angebrochen. In Lk 17, 21 ist zu lesen „Man wird auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch!“.
Ich glaube, diese ganz räumlich gedachten Vorstellungen von Himmel und Hölle als Jenseitsorten, in die Gott Menschen gleichsam einsortiert, entspringen aus einem ganz menschlichen Bedürfnis Gut und Böse fest voneinander zu scheiden.
Noch weniger nachvollziehbar erscheint es mir, wenn Menschen meinen zu wissen, wer aus welchen Gründen in den Himmel oder in die Hölle gehört. Mir scheint die Welt durchaus komplexer zu sein und mein eigenes Leben auch. Als Christin hoffe ich auf die Auferstehung und das ewige Leben. Ich glaube aber auch, dass dazu auch das Gericht Gottes gehört. Das ist ein Bild, das mir näher liegt als eine Vorstellung von der Hölle. Bei diesem Gericht Gottes geht es nicht in erster Linie ums Strafen, sondern darum, dass Gerechtigkeit werden kann. Dass nichts ungesehen bleibt, wo mir Unheil widerfahren ist und auch nicht das, wo ich Jemanden verletzt habe. Die Rede von Himmel und Hölle legt ja immer nahe, dass das Gegensätze seien. Ich würde das ewiges Leben und Gericht nennen und für mich gehört beides zusammen und es ist das, was jeder und jede Einzelne braucht, damit es paradiesisch werden kann.
Selbst wenn ich die Unterscheidung in Himmel und Hölle, so wie ich sie in Ihrer Frage wahrnehme, nicht teilen würde, bleibt dennoch eine ganze wichtige Frage bestehen, auf die ich Ihnen immer noch eine Antwort schuldig bin. Die Frage, ob all das, worauf wir als Christinnen und Christen hoffen auch für diejenigen gilt, die anderen Religionen wie dem Islam angehören. Ich glaube daran, dass niemand ausgeschlossen bleibt von dem Heil, das von Gott ausgeht. Besonders deutlich wird mir das, wenn ich mir eine Bibelstelle wie 1. Tim 2,4 anschaue, wo von Gott die Rede ist, „welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“. Einerseits bezieht sich die Erkenntnis hier zwar auf die Erkenntnis Gottes in Jesus Christus. Viel zentraler scheint mir aber zu sein, dass eben in Jesus Christus eine Heilsperspektive für alle Menschen eröffnet wird. In Jesus Christus zeigt sich, dass Gottes Liebe allen Menschen gleichermaßen gilt.
Letztlich hat jede religiöse Hoffnung doch etwas Tastendes. Schon wenn Sie und ich versuchen würden einander zu erzählen, wie wir uns das Himmelreich vorstellen, wären unsere Bilder ganz unterschiedlich und doch können wir nicht anders davon reden als mit diesen ganz unterschiedlichen Vorstellungen. Als eine solche Vielstimmigkeit lassen sich auch die verschiedenen Religionen betrachten. Keine von ihnen kann einen absoluten Wahrheitsanspruch für sich beanspruchen, sondern sie alle haben Anteil an der Wahrheit. Für mich bedeutet das, dass es beim Blick auf andere Religionen nicht nur um das Trennende geht, sondern dass wir im Kennenlernen anderer Vorstellungswelten auch etwas über unsere eigenen Hoffnungen und Traditionen lernen können.
Vielleicht haben Sie ja auch einmal Lust sich auf einen solchen Dialog einzulassen. Mit ihrer Frage könnten Sie gleich starten und einen ihnen bekannten Muslim danach fragen, ob er eigentlich an Himmel und Hölle glaubt. Ich wäre gespannt auf die Antwort.
Wie Sie sehen, hat ihre kurze Frage bei mir allerhand an Resonanz ausgelöst und ich hoffe mein Versuch darauf zu reagieren, hat Ihnen den ein oder anderen interessanten Gedanken geliefert, bei dem Sie vielleicht Lust haben ihm weiter nachzugehen.
Herzlich
Katharina Scholl