Lieber Herr Muchlinsky,
ich habe eine gute Freundin, die es sich zur Gewohnheit gemacht hat, sich Fragen der Zukunft, insbesondere zur Liebe und zur Arbeit, von Kartenleger/innen beantworten zu lassen. Sie bezahlt dafür meist auch eine ganze Stange Geld für diese Beratungen.
Ist das Sünde? Verstößt man gegen das 1. Gebot?
Wenn ich ihr bei ihren Erzählungen so zuhöre, finde ich ihr mangelndes Vertrauen in Gott und in die gute Entwicklung der Gegebenheiten bedenklich. Wie kann ich ihr helfen?
Sie berichtete auch von anderen Frauen, die diese Dienste derart oft, auch über das Internet in Anspruch nehmen, dass dies für diese Frauen zu einer Sucht geworden sei. Ich finde das eine sehr traurige Angelegenheit.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob das alles Aberglaube ist, selbst erfüllende Prophezeiung oder wie das generell zu bewerten ist. Denn oft scheinen diese Vorhersagen auch einzutreffen.
Ich würde mich über eine ausführliche Antwort freuen. Auch damit ich meiner Freundin helfen kann. Vielen Dank!
Patti Maier
Liebe Frau Maier,
Ihre Sorge kann ich gut verstehen. Wer auf diese Weise wie Ihre Freundin in die Zukunft schauen will, zeigt dadurch eine große Unsicherheit und Angst vor der Zukunft. Diese Unsicherheit ist ein Einfallstor für Scharlatane aller Art. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Prophezeiungen sich erfüllen oder nicht. Es geht den Kartenlegern und anderen "Sehern" lediglich darum, mit dieser Zukunftsangst der Menschen Geld zu machen.
Sie haben diese Zukunftsangst Ihrer Freundin "Mangelndes Vertrauen in Gott" genannt, und ich kann Ihnen da zustimmen, allerdings weiß ich nicht, was für ein Verhältnis Ihre Freundin überhaupt zum Glauben und zu Gott hat. Der christliche Glaube steht der Wahrsagerei kritisch durchaus gegenüber. Den einen Grund hierfür haben Sie auch bereits genannt: Es zeigt, dass man sich nicht auf Gott verlässt. Es gibt eine Geschichte im 1. Buch Samuel, in der König Saul eine Totenbeschwörerin aufsucht. Er tut das nicht aus einer Laune heraus, sondern, weil er ausgesprochen verzweifelt ist. Er selbst hat (so lautet es in der Geschichte) vorher das Geisterbeschwören verboten, doch als sein alter Freund und Mentor Samuel stirbt, ist Saul so verzweifelt, dass er sich an eine Frau wendet, die Geister beschwören kann. Saul hat furchtbare Angst, seine Macht als König zu verlieren. Und dann passiert etwas sehr Bemerkenswertes: Als der geist des toten Samuel erscheint, weissagt er Saul, dass er genau deswegen, weil es eben auf diese Weise sein Schicksal erfahren will, einer schlimmen Zukunft entgegen geht. (1. Sam 28,3-25)
Diese Geschichte kann man durchaus auch psychologisch lesen – als selbst erfüllende Prophezeiung oder auch als die Beschreibung einer Angststörung, die eskaliert. Nun will ich Ihnen nicht noch mehr Sorge wegen Ihrer Freundin bereiten, als Sie ohnehin schon haben. Ich möchte eher deutlich machen, dass ich Ihnen ein Gespräch mit Ihrer Freundin empfehle, in dem Sie ihr deutlich machen können, was Ihre Sorgen sind. Ich bin wenig optimistisch, dass Sie sie von ihrer Vorliebe, die Zukunft zu befragen, abbringen können. Aber es ist in jedem fall gut, wenn Ihre Freundin Ihre Bedenken kennt und weiß, dass sie sich an Sie wenden kann, wenn sie mit der Wahrsagerei einmal Probleme bekommen sollte.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig weiterhelfen und grüße herzlich
Frank Muchlinsky