Unterscheidet sich Gott im Alten Testament von dem Gott im Neuen Testament?

Thomas Boppel
Der Gott des AT und der Gott des NT (Jesus) können gegensätzlicher nicht beschrieben werden. Der Gott des AT war ein Gott der Rache und des Zorns. Der Gott des NT war ein Gott der unendlichen Liebe und Gute. Beide Schriften gelten als das "Wort Gottes". Sind quasi im Auftrag oder mit Billigung Gottes geschrieben worden. Wer kann das verstehen und mir erklären ?

Sehr geehrter Herr Boppel, 

Ihre Frage hat unser Team erreicht. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Ihre Frage haben wir schon mehrfach hier beantwortet. Und doch scheinen die Antworten, die wir versucht haben, nicht zufrieden zu stellen. Ihre Frage: "Wer kann das verstehen und mir erklären ?" Meine erste Antwort: Verstehen können nur Sie selbst. Es gibt auf dem Weg zum Verstehen nur ein Hilfsmittel, die Bibel selbst. Meine Bitte: Lesen Sie die Bibel, aber nehmen zunächst einen Bibelleseplan zur Hilfe. Dieser Plan lenkt Sie durch die Teile der Bibel und hilft Ihnen die Texte in eine lesbare Abfolge zu bringen. (siehe: https://www.die-bibel.de/leseplaene/oeab-leseplan) Ohne Plan verliert man sich schnell im Ganzen. In einem zweiten Durchgang kann man die Bibel auch ohne Plan lesen. Für Menschen, die Hörbücher lieben, liegt es nah, die Lutherbibel 2017 als Hörbuch zu lesen. Rufus Beck liest hier großartig (https://shop.die-bibel.de/bibeln/hoerbibeln/die-bibel.-gelesen-von-rufus-beck-2226 auch im im Abo-Hörbuchshop). Gerade bei längeren Zug- oder Autofahrten kann ich mich hier richtig gut einlesen. 

Zwei direkte Anmerkungen zu Ihrer Frage. Sie stellen fest:  "Der Gott des AT und der Gott des NT (Jesus) können gegensätzlicher nicht beschrieben werden." Diese Behauptung bitte ich sie selbst zu überprüfen, dann werden zu einem anderen Ergebnis kommen. Nehmen Sie - kleines Beispiel - den bekannten Psalm 23. Das ganze Gebet ist von einem tiefen Vertrauen, das die betende Person in Gott setzt, durchzogen. Dieses Vertrauen in Gottes fürsorgende Liebe tröstet bis heute. Oder: Sie lesen die Gerichtsdrohungen Jesu Matthäus 25,31-46. Hier ringt Jesus um Einsicht seiner Zuhörerinnen und Zuhörer in die Liebe Gottes, die durch die liebende Menschlichkeit der Menschen im Heute real wird.  Also: Ich kann einen grundsätzlichen Gegensatz nicht bestätigen. Aber: Lesen Sie selbst.  

Auch diese Behauptung bleibt Ihre persönliche Annahme: "Der Gott des AT war ein Gott der Rache und des Zorns. Der Gott des NT war ein Gott der unendlichen Liebe und Gute." Nehmen Sie - als Beispiel - die Sintflut. Gott schließt am Ende (1. Mose 9) einen Bund, und gibt der Schöpfung und den Geschöpfen eine Zusage. Gottes Schöpfung ist grundsätzlich von Gottes Liebe getragen. Also: Die unendliche Liebe Gottes und das Gute verbinden die unterschiedlichen Bücher der Bibel zu dem einen Wort Gottes. 

Martin Luther hat vom Gesetz und dem Evangelium gesprochen und Ihre Aufteilung der Bibel in Rache und Liebe begünstigt. Aber Luther hat im Gesetz, konkret z.B. in den Zehn Geboten, grundsätzlich auch das Evangelium mitgelesen. Das Ersten Gebot beginnt mit der Zusage: "Ich bin der Herr, dein Gott.“ (2. Mose 20,2) So spricht der liebende Gott. Und am Kreuz, das ja als Evangelium vom liebenden Gott gelesen wird,  entdeckt Luther auch das Gesetz, sieht die Abgründe der menschlichen Schuld, die hier aufklaffen. Der Reformator, der als Professor vor allem Vorlesungen über das Alte Testament gehalten hat, weigert sich das Alte Testament als "Gesetzbuch" eines rächenden Gottes zu qualifizieren und das Neue Testament ausschließlich der "Liebe" zuzuordnen. Trotzdem haben solche Unterscheidungen - einmal in der Welt - den Antisemitismus begünstigt und sind Teil einer unentschuldbaren Geschichte, die in den Holocaust führt. Für diese Geschichte schäme ich mich als Pastor unserer Kirche zutiefst. 

Bei der Lektüre der Bibel wünsche ich Ihnen Kraft und Freude daran, den Spuren der Liebe Gottes, die die Rache überwinden, zu folgen. Ihr Henning Kiene

Fragen zum Thema

Lieber Wolfgang,Ihre Frage wirkt auf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel und frage…
Liebe Verona, vielen Dank für Ihre Frage, die es gewaltig in sich hat. Zuallererst muss…
Liebe/r Kiri, Die Vulgata ist ebenso wie jede Deutsche Bibel eine Übersetzung. Sie ist…