Ich glaube nicht, dass ein Reicher automatisch böse ist, aber in der Gesellschaft gilt, dass alles Schlechte durch die Reichen kommt. Die Reichen zerstören alles, und Geld verdirbt den Charakter. Ich bin nicht reich, aber ich verurteile die Reichen nicht. Darf man denn keinen Reichtum haben, kein Vermögen besitzen? Was sagt die Bibel über Reichtum, was sagt Jesus über Reichtum? Ist Vermögen für Gott etwas Schlechtes?
Lieber Patrick,
pauschale Aussagen "alle Menschen, die..." sind übel. Pauschale Urteile erweisen sich, wenn man genauer hinsieht, oft als falsch. Darum danke ich Ihnen für Ihre Frage und hoffe, dass wir uns gemeinsam von so allgemeinen Sätzen entfernen. Ich halte zuerst einmal fest: Reichtum und Bosheit sind zwei unterschiedliche Themen. Außerdem: Arme sind auch nicht automatisch gute Menschen. Wer ist schon gut? Jesus sagt, als er mit "guter Meister" angesprochen wird: "Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein." (Lukas 18,19) Pauschal kann man - mit Jesus - nur einen Satz sagen: Gott ist gut.
Reichtum wird in der Bibel allerdings kritisch gesehen. Es wird von einem Schuldenschnitt berichtet, der alle sieben Jahre verordnet war. Ziel dieses Schuldenschnitts, in dem alle Schuldenkonten auf Null gesetzt wurden, war es, übermäßigen Reichtum abzubauen, um die Armut zu lindern. "Was du deinem Bruder geborgt hast, sollst du ihm erlassen. Es sollte überhaupt kein Armer unter euch sein", heißt es in 5.Mose 15.
Es geht nicht pauschal gegen den Reichtum. Es geht darum, die Armut zu bekämpfen. Das will auch Jesus. Zu einem reichen Mann, der ihm nach dem Himmel fragt, sagt er: "Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!" (Matthäus 19,21) Jesus sieht Reichtum kritisch, aber er hält dem reichen Mann die Tür zum Himmel geöffnet, er sagt: "Bei Gott sind alle Dinge möglich." (Matthäus 19,26) So nimmt Jesus denen, die Reichtum pauschal verurteilen, den Wind aus den Segeln. Jesus hält fest, dass auch Reiche eine Chance haben. Trotzdem hat er das Ideal eines armen Lebens begründet. Aus diesem Ideal konnte sich das Christentum immer wieder erneuern.
Glaubensbewegungen, die Verzicht predigen und Verzicht leben, genießen deutlich mehr Respekt als die Anlagewirtschaft kirchennaher Bankhäuser. In Taizé hat sich z.B. in der Zeit am Ende des Zweiten Weltkriegs eine Gemeinschaft gegründet, die Gebet und Nächstenliebe verbindet und deren Mitglieder persönlich auf Wohlstand verzichten. Seit Jahrzehnten orientieren sich junge Menschen an dieser Gemeinschaft. Sie beten lieber als die aktuellen Zahlen auf ihren Kontoauszügen zu prüfen. Private Frömmigkeit und der persönliche Glaube sagt: "Da finde ich die Kirche glaubwürdig."
Das Vermögen, das Sie oder andere Menschen sich erarbeitet haben, ist aber nicht automatisch schlecht. Es geht darum, wie man es einsetzt. Die kirchliche Bank, bei der ich mein Konto habe, verspricht ihren Kundinnen und Kunden unser Geld in nachhaltig arbeitender Wirtschaft anzulegen. Man kann hier seinen Reichtum so verwalten, dass der keine neue Armut, keine Kriege und zusätzliches Unrecht produziert. Trotzdem müssen reiche Menschen sich Jesu Satz gefallen lassen: "Wahrlich, ich sage euch: Ein reicher Mensch wird schwer ins Himmelreich kommen." (Matthäus 19,22)
Sie merken, mit pauschalen Aussagen kann ich Ihnen nicht helfen. Aber mit einem Gedanken aus der Reformation schließen. In seinem Großen Katechismus legt Martin Luther das 1. Gebot (Du sollst nicht andere Götter haben neben mir) aus und schreibt: "Häng dein Herz nicht an den Gott Geld und Gut, sondern an den wahren Gott."
Darum geht es, und um die nüchterne Erkenntnis, dass - so Martin Luther - "der unfassliche Gott fassbar wird, wenn sich unser Herz an ihn hängt und ihm unbedingt vertraut".
Ich grüße Sie herzlich,
Ihr Henning Kiene