Sind Novenenkerzen so etwas wie Wunderkerzen?

Elvira
Rosenkranz mit Bibel und Kerze
Getty Images/iStockphoto/karenfoleyphotography

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,

ich bin evangelisch. Ich habe etwas von einer Novenenkerze gehört, die man neun Tage lang brennen lassen soll. Dazu soll man Rosenkranzgebete beten. Dringende Anliegen würden erhört werden. Es gibt auch Anbetungen für den Erzengel Michael, den Heiligen Christopherus und den Heiligen Antonius. Aber ich bin der Meinung, es gibt nur einen Gott, und es steht ja in den zehn Geboten: Ich bin der Herr Dein Gott, Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Was ist von dieser Novenenkerze zu halten? Ich glaube zur Hälfte an Gott. Aber nicht an Wunderkerzen, Wunderarmbänder und Wunderöle.
Danke.
Mit freundlichen Grüßen,
Elvira

Liebe Elvira,

ich muss gestehen, dass ich bis zum heutigen Tag noch nie etwas von einer solchen Kerze gehört hatte. Was ich über die Novene herausgefunden habe, deckt sich mit dem, was Sie beschreiben: Ein Gebet aus der katholischen Tradition, das sich über neun Tage erstreckt. Wenn ich es richtig verstehe, ist die Kerze dabei lediglich eine Unterstützung.

Spannend finde ich dabei die Herleitung: Laut Apostelgeschichte 1,13-14 blieben die Jünger:innen Jesu, seine Brüder und Maria nach der Himmelfahrt Jesu zusammen und beteten im Grunde ununterbrochen. Zu Pfingsten geschieht dann etwas Neues, denn der Heilige Geist kommt über diese kleine Gemeinschaft. Weil Jesus ihnen das Kommen des Heiligen Geistes versprochen hatte, kann man die Vermutung wagen, dass sie während der neun Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten Gott um das Kommen des Heiligen Geistes baten. Daran knüpft die so genannte Pfingstnovene an. Eine neuntägige Gebetsübung, die in der katholischen Kirche im 18. Jahrhundert aufkam, und in der man ebenfalls um das Kommen des Heiligen Geistes bittet.

Man bittet während einer Novene sozusagen um richtig große Dinge, um „Gnadengaben“. Das sind Gaben, die der Heilige Geist einem Menschen schenkt. Der Apostel Paulus nennt zum Beispiel die Gabe prophetisch zu reden, zu trösten, zu ermahnen oder auch zu leiten (Römer 12,6-8).

Mit anderen Worten: Es geht nicht um Aberglauben bei den Novenen, sondern um eine bestimmte Form des Gebets, beziehungsweise der Gebetsdisziplin. Es ist also eine Form, in der man nicht betet, weil man gerade das Bedürfnis dazu hat, sondern weil man sich selbst dazu verpflichtet. Das kann man durchaus so missverstehen, als wollte man Gott gleich mit verpflichten - Unter dem Motto: Ich halte meinen Teil ein, dann erfülle Du bitte auch meinen Wunsch. Aber es geht dabei mehr darum, sich selbst sozusagen in die Pflicht zu nehmen. Das ist ungefähr so wie der Vorsatz, regelmäßig Sport zu treiben oder sich gründlicher die Zähne zu putzen.

Was die Adressaten der Gebete angeht, so würde ich mich ebenfalls nur an Gott oder Jesus Christus wenden. Wie gesagt, die Novene stammt aus der römisch-katholischen Tradition, und in der wendet man sich im Gebet gern an Heilige. Trotzdem ist die Novenen-Kerze keine „Wunderkerze“, obwohl ich den Begriff lustig finde in diesem Zusammenhang. Vielleicht finden Sie es spannend, einmal regelmäßig zu beten. Dann könnte Ihnen ein kleines Ritual dabei helfen. Dabei eine Kerze anzuzünden, ist schön. Ich bin sicher, dass es jede Kerze tut.

Alles Gute für Sie!

Frank Muchlinsky

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