Ärgere ich Gott, wenn ich freche Serien gucke?

Jens M.

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,

ich bin erst kürzlich zur evangelischen Konfession und generell zur Religion gewechselt. Zwar hatte ich während der Schulzeit Religionsunterricht, aber ich hatte bis vor einem Jahr nie zu Gott gebetet. Das hat sich bei mir schlagartig geändert. Allerdings, seitdem ich den Glauben angenommen habe, schränkt mich meine Zwangsstörung zunehmend ein. Deshalb wollte ich hier Klarheit erlangen.

Es gibt viele Sachen, bei denen meine Zwangsstörung meint, dass sie falsch wären und ich damit Gott verärgern könnte. Dieser Leidensdruck ist immens, und ich bin momentan in psychischer Behandlung. Jedoch ist es mir absolut wichtig, meinen Vater im Himmel nicht zu verärgern. Die Frage, die ich stellen werde, hat mit kleinen Dingen des Alltags zu tun und ist sehr nah an den Stellen, mit denen mich meine Zwangsstörung ärgert.

Konkret geht es hierbei um Fernsehserien, also Geschichten. Es gibt aus meiner Jugend eine Comedy-Serie namens Rick und Morty, welche sich makabren Witzen bedient. Teils werden in der Serie Beleidigungen oft durch die Charaktere genutzt, welche in gewisser Weise als fehlerhafte Charaktere dargestellt werden. Nun stellt sich hierbei die Frage: Verärgere ich Gott, wenn ich diese Sendung gucke und über die Witze lache? Ich musste diesen Abend darüber nachdenken und habe die Serie mittendrin abgebrochen, weil der Angstdruck seitens meiner Zwangsstörung zu groß wurde. Eigentlich möchte ich sie gerne weitergucken, aber die Angst verhindert es. Wenn ich diese Frage an KIs wie ChatGPT stelle, dann antwortet diese, dass Gott mich nicht verurteilen wird für Geschichten, die der Unterhaltung dienen. Ich hätte aber gerne die Antwort seitens eines Pastors.

Ich danke Ihnen.

Lieber Herr M.,

danke, dass Sie sich mit Ihrer Frage an mich gewandt haben. Ich will gern versuchen, sie aus meiner Sicht als Pastor zu beantworten. Es tut mir leid zu lesen, dass Ihr Weg in den christlichen Glauben zugleich ein Weg in eine Zeit war, in der Ihre Angststörung Sie noch mehr belastet als zuvor. Leider ergibt das aber durchaus Sinn. Religionen haben ihre Werte, und damit verbunden sind Regeln und Normen, die erfüllt werden sollen. Das ist für jemanden, der wie Sie unter einer Zwangsstörung leidet, eine besondere Herausforderung, denn es bedeutet ja auch, dass man etwas falsch machen kann. Häufig wird mit drastischen Strafen gedroht, wenn man die Regeln verletzt.

Ich stelle mir das so vor, dass Ihre Zwangsstörung durch die Angst, etwas zu tun, das Gott missfällt, mehr Nahrung bekommt. Es ergibt für mich auch vollkommen Sinn, dass es ausgerechnet Rick und Morty sind, die Ihnen konkret Probleme machen. Die Serie stellt auf lustige Weise alles in Frage, auch moralische Normen, während Sie gerade versuchen, ein (mit alten Worten gesagt) gottgefälliges Leben zu führen. Da wundert es mich nicht, wenn Ihre Zwangsstörung ‚Stopp‘ ruft.

Nun aber will ich theologisch werden, denn das ist mein Fachgebiet, nicht die Psychologie. Was Sie beschreiben, erinnerte mich sofort an das, was der Reformator Martin Luther erlebte und beschrieb: die ständige Angst davor, ‚den Vater im Himmel zu verärgern‘. Luther lebte in dieser Angst. Sie führte bei ihm dazu, dass er ständig zur Beichte ging, auch wegen kleinster oder auch eingebildeter Sünden. Luther hoffte zunächst, dass er Gott mithilfe der kirchlichen Bußrituale gnädig stimmen könnte, aber er merkte immer wieder, dass es nicht reichte. Gott gnädig zu stimmen ist eine Unmöglichkeit.

Dann kam er – zu Luthers Glück und auch zum Glück aller, die später seiner Theologie folgten – zu einer Erkenntnis: Nicht nur er kann Gott nicht gnädig machen. Niemand kann das. Es ist eine Unmöglichkeit, so zu leben, dass es Gott rundum und ganz gefällt. Jeder Mensch wird, allein durch die Tatsache, dass er ein Mensch ist, auch Fehler machen, Sünden begehen, so leben, dass es Gott nicht gefällt. Das Tröstliche daran ist aber, dass Gott das auch weiß! Darum verlangt Gott von uns vor allem, dass wir auf seine Gnade vertrauen. Wir sollen uns darauf verlassen, dass Gott es so gut mit uns meint, dass wir eben auch als Sünder geliebt und gerettet sind. Dieses Vertrauen nennt Luther Glauben. Aus diesem Glauben allein sind wir vor Gottes Ärger und Zorn gerettet. Das bedeutet nicht, dass wir tun und lassen sollen, was wir wollen. Aber wir dürfen darauf vertrauen, dass die Einhaltung der Regeln eben nicht entscheidend dafür ist, ob Gott gnädig auf uns schaut oder nicht.

Sie schauen gern eine Serie, die in unterhaltsamer Weise große Fragen stellt. Dabei ist sie auch respektlos und nutzt gern schwarzen Humor. Ich bin sicher, Sie dürfen darauf vertrauen, dass Gott mit Ihrem Vergnügen an der Serie freundlich umgeht. Sie dürfen Gott zutrauen, dass er unterscheiden kann zwischen Humor und Sünde. Und, wie erwähnt, letztlich ist es unmöglich, alles immer richtig zu machen, und das ist auch nicht, was Gott von uns erwartet.

Alles Gute für Ihre weitere Behandlung und überhaupt Ihren weiteren Weg!
Frank Muchlinsky

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