Hallo, ich habe 2009 eine Ehe geschlossen mit einer Atheistin. Nun will sie sich von mir trennen, da ich 2022 meinen Glauben nach Corona wieder neu entdeckte. Ich gehe auch gerne mal in den Urlaub, denke jedoch, dass es immer wichtig ist, diesen Urlaub von unserem Herrn Jesus Christus gesegnet zu haben. Wir haben 2015 einen Sohn bekommen, den wir 2016 auch taufen haben lassen. In einer christlichen Reha 2024 habe ich von einer Psychothearpeutin den Hinweis bekommen, dass ich das geistliche Oberhaupt der Familie wäre. Dies kann ich jedoch sehr schwer ausüben, da meine Frau trotz mehrfacher bitten im Gebet, sich immer noch total gegen den Glauben wehrt. Es steht ja auch in der Bibel, dass das, was Gott zusammengefügt hat, der Mensch nicht scheiden soll. Wie kann ich mich jetzt verhalten, bzw. wer kann das Thema lösen? Vielen Dank. Viele Grüße Timo Walter
Lieber Timo,
es ist verständlich, wie viel innerer Druck und Unsicherheit entstehen, wenn ein Partner seinen Glauben entdeckt und der andere eine atheistische Weltanschauung hat.
Im evangelischen Eheverständnis ist die Ehe eine Gemeinschaft zweier freier Menschen, die Gott um seinen Segen bitten – kein unauflösliches Sakrament, das um jeden Preis aufrechterhalten werden muss. Die Bibel spricht davon, dass „was Gott zusammengefügt hat, der Mensch nicht scheiden soll“ (Matthäus 19,6). Doch dieser Satz will Beziehungen schützen, nicht zu einer Last werden, die beiden das Leben schwer macht. Die evangelische Kirche weiß um das Scheitern von Beziehungen und die Verletzlichkeit der Menschen und begleitet auch in Trennungssituationen seelsorglich, statt zu verurteilen oder Druck auszuüben.
Das evangelische Verständnis der Trauung hebt hervor, dass es bei einer christlichen Ehe vor allem um den Segen, die Begleitung und Stärkung Gottes geht – nie um ein magisches Band, das zwei Menschen gegen ihren Willen fixiert. Menschen können scheitern, Beziehungen an Grenzen stoßen. Das ist kein Zeichen von Gottesferne, sondern ein Ort, an dem Gottes Gnade besonders gebraucht wird. Seelsorgerliche Begleitung und Beratung sind wichtige Hilfen, um Trauer, Schuldgefühle und eigene Bedürfnisse zu sortieren, und um im Umgang mit dem Kind einen Weg zu finden zwischen christlichem Vorbild und Respekt vor der Andersgläubigkeit der Mutter.
Wenn der Glaube, wie bei Ihnen, zwischen die Partner tritt, kann das für beide Seiten sehr belastend sein: Während Sie nach einem Leben mit Christus streben, fühlt Ihre Frau sich von Ihren Erwartungen vielleicht unter Druck gesetzt oder sogar ausgeschlossen. Auch die Rolle als „geistliches Oberhaupt“ wird heute in der evangelischen Auslegung nicht als eine Autorität mit Befehlsgewalt verstanden, sondern als dienende Verantwortung in Liebe und gegenseitigem Respekt. Beide Partner sind gleichwertig vor Gott – niemand ist wichtiger oder richtiger im Glauben. So schreibt mein Kollege Frank Muchlinsky, was für uns Christen gilt: „Wir sollen das Leben schützen, wir sollen Tränen trocknen und Frieden stiften. Und wir sollen uns für die Gerechtigkeit einsetzen. Das bedeutet auch Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Wer auf Gottes Gerechtigkeit hofft, kann nicht gleichzeitig Frauen ungerecht behandeln.“ Nicht zuletzt deswegen, kann ich den Hinweis Ihrer Psychothearpeutin in der Reha in diesem Kontext nicht nachvollziehen, da er anscheinend theologisch nicht eingeordnet wurde.
Niemand außer Ihnen und Ihrer Frau kann letztlich eine Entscheidung für oder gegen die Ehe erzwingen oder „lösen“. Wichtig ist, mit Ihren Gefühlen und Fragen nicht allein zu bleiben: Nutzen Sie das Angebot evangelischer Seelsorge, Beratung und – falls möglich – gemeinsam eine Paarberatung. Ihre Aufgabe ist es, so ehrlich und verantwortungsvoll mit sich, Ihrer Frau und Ihrem Sohn umzugehen, wie Sie können. Hinter jedem theologischen Satz steht Gottes freundlicher Blick, der Ihr Ringen sieht – und Sie in Ihrer Freiheit und Würde ernst nimmt.
Bei allen Schwierigkeiten und Entscheidungen, die vor Ihnen liegen, vergessen Sie nicht, dass sowohl Sie als auch Ihre Frau – auch als Atheistin – ein geliebtes Geschöpf Gottes ist.
Alles Gute für Ihre Zukunft wünscht Ihnen Ihr
Philipp Raekow