Guten Tag,
ich bin ehrenamtlicher Leiter einer kleinen ökumenischen Gemeinde. Erstaunt musste ich erkennen, dass sich mein Glaube in den letzten 2-3 Jahren in Luft aufgelöst hat. Ich war zwar vorher nicht besonders fromm, vielleicht "distanziert gläubig", nun ist nichts mehr da. Ich kann mit der ganzen christlichen Theologie nichts mehr anfangen.
Ich denke mal, dass ich weder der erste noch der einzige mit einer solchen Erfahrung bin, aber wie kann so etwas passieren? Gibt es einen Weg zurück?
Herzliche Grüße,
Thomas, der nicht der Ungläubige sein wollte
Lieber Thomas, der nicht der Ungläubige sein wollte,
vielen Dank für Deine Frage. Wenn das Vertrauen auf Gott, das vielleicht lange Zeit ganz selbstverständlich Teil des eigenen Lebens war, plötzlich Risse bekommt, kann das schmerzhaft sein. Du schreibst, dass Du Dich ehrenamtlich kirchlich engagierst. Dass Dir der Glaube fraglich geworden ist, betrifft also neben Deiner inneren Überzeugung auch diese Tätigkeit und all das, was Du dabei für und mit Menschen tust.
Beim Lesen Deiner Frage hat mich vor allem das Bild bewegt, was Du nutzt, um zu schreiben, wie es Dir mit Deinem Glauben ergeht. Du schreibst, dass er "verdunstet" sei. Einerseits ist das ja wünschenswert, dass der Glaube lebendig sprudelt. Offenbar kann es aber auch zu heiß werden, so dass sich der Glaube in Luft auflöst. Was in diesen 2-3 Jahren geschehen ist, dass es um Deinen Glauben zu heiß wurde, vermag ich natürlich nicht zu beantworten. Aber von mir kann ich Dir erzählen.
Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass es in meinem Leben ganz unterschiedlich war, wie intensiv ich meine Beziehung zu Gott gespürt habe und sie gelebt habe. Manchmal gab es Augenblicke, in denen ich diese Beziehung ganz intensiv gespürt habe und manchmal gibt es Zeiten, da wird es ganz still um mich und Gott. Jetzt könnte man ja darauf kommen, zu meinen, dass das für eine Pfarrerin ein Problem ist, weil man mit diesem Beruf immer und zu jedem Zeitpunkt einen agilen Glauben bräuchte, um mit anderen Menschen religiöses Leben zu gestalten. Ich erlebe das anders, weil für mich diese unterschiedlichen Intensitäten und dass es auch mal eine Zeit lang still wird, dazugehören zum Glauben. Der Glaube selbst ist eben genauso zerbrechlich und vielseitig.
Du selbst nimmst Bezug auf den ungläubigen Thomas (Joh 20). Das hat mich aufhorchen lassen. Weil Thomas sonst nicht an die Auferstehung Jesu glauben kann, lässt Jesus ihn seine Wundmale berühren. Thomas braucht also etwas zum Anfassen, etwas zum spüren und Jesus ist bereit ihm das zu geben und sich berühren zu lassen. In Deiner Frage schreibst Du, dass Du mit der ganzen christlichen Theologie nichts mehr anfangen kannst. Bei Thomas wäre das auch so gewesen. Kein Lehrsatz, kein Argument oder Gedanke hätte ihn überzeugen können. Seine Hände mussten es begreifen. Vielleicht ist das ja bei Dir auch so, dass es nicht durch die Theologie eine neue Annäherung gib, sondern über das Erleben. Vielleicht gibt es Klänge, Bilder oder Landschaften, die Dich früher schon religiös berührt haben. Bei mir ist Musik ganz wichtig. Manchmal, wenn es stiller geworden ist um Gott und mich, bringt mich das hören von Musik, die für mich bedeutsam ist, wieder näher. Vielleicht gibt es ja so etwas für dich auch, etwas, von dem Du neu berührt werden kannst.
Den wichtigsten Schritt hast Du vielleicht schon gemacht, indem Du Deine Frage gestellt hast, denn dass Du sie stellst, lässt mich ahnen, dass da eine Sehnsucht nach Gott ist. Ich glaube, wo solche Sehnsucht ist, da gibt es auch immer wieder neue (oder alte) Türen, die sich öffnen.
Auf Deiner Reise mit dem Glauben wünsche ich Dir alles erdenklich Gute und Gottes Segen!
Katharina