Liebes Fragen-Team,
als eher konservativer Christ habe ich eine trotzdem einigermaßen progressive Ansicht zur Homosexualität: Nach den Erkenntnissen der Wissenschaft ist die Veranlagung, zum Beispiel homosexuell zu sein, angeboren und damit gottgewollt. Nach meiner Überzeugung können aber auch unsichere Menschen, gerade in der Pubertät, durch vorgelebte Homosexualität zum Schwul- beziehungsweise Lesbischwerden beeinflusst werden.
Um das vorauszuschicken: Ich kenne durch meine Präsenz in der Künstlerszene einige Homosexuelle, und den meisten hätte ich es ihnen nicht angemerkt, wenn sie es nicht erzählt hätten. Aber heute ist es mehr und mehr verbreitet, seine Homosexualität wie einen Schild voranzutragen. Es wird mittlerweile so aggressiv fürs „Anderssein“ geworben, dass der Eindruck erweckt wird, wer nach der Norm lebt, mache etwas falsch und sei moralisch unterlegen.
Ich meine also: Anders orientiert sein ist völlig ok, auch das Ausleben dieses Andersseins, aber nur, soweit damit keinem geschadet wird. Aber muss das eigene Anderssein so an die große Glocke gehängt werden? Ich renne ja auch nicht überall herum und sage: „Übrigens, ich bin hetero, und das ist gut so!“ Ich mache mir einfach Sorgen, dass Kinder und Jugendliche durch die omnipräsente Werbung fürs Anderssein schon im Kindergartenalter (ich denke da zum Beispiel an den „Tag der Diversität“ in der Sendung mit der Maus, die schon die Kleinsten sehen) daran gehindert werden, ihre natürliche sexuelle Orientierung ungestört auszubilden - Homosexualität, Transsein etc. kann natürlich wertungsfrei am Ende dieses ergebnisoffenen Wegs stehen. Aber eben unbeeinflusst von Marktschreierei.
In diesem Zusammenhang frage ich mich als Kind einer Landeskirche: Warum biedern sich hier viele Landeskirchen an den Zeitgeist an und unterstützen diese Werbung? Ich kann mich da an einen einschlägigen Fernsehgottesdienst aus 2022 erinnern.
Für eine Antwort wäre ich dankbar.
Lieber Florian,
beim Umgang mit verschiedenen sexuellen Orientierungen geht es nicht darum, für irgendetwas zu „werben“. Zumindest soll es nicht mehr darum gehen. Jahrhundertelang wurde für Heterosexualität geworben, beziehungsweise sie wurde als die einzige gottgewollte Orientierung dargestellt. Wenn die Kirchen nun die verschiedenen Orientierungen als ebenso gottgewollt bezeichnen (und Sie tun das ja auch), dann ist die logische Konsequenz daraus, dass es nicht eine Norm gibt, von der alle anderen abweichen. Das wäre ja, als sagte man: Alle Menschen sind gleich, aber einige sind gleicher als andere.
Es ist genau diese Unterscheidung zwischen der heterosexuellen und den „anderen“ sexuellen Ausrichtungen, die für gleichgeschlechtlich liebende Menschen ein Problem darstellt. In unserer Gesellschaft ist Heterosexualität weiterhin die Norm. Wer homosexuell ist, lernt also von Anfang an: Ich entspreche nicht der Norm, ich bin anders. Das, was Sie als „Werbung“ für das „Andere“ empfinden, ist in Wirklichkeit eine Öffnung hin zu einem anderen Verständnis von Sexualität. Es geht doch nicht darum, möglichst viele Menschen schwul zu machen, sondern darum, denen, die schwul sind, zu sagen: Du bist, wie Du bist, genauso richtig, wie heterosexuell liebende Menschen.
Man kann darüber streiten, wann sexuelle Aufklärung beginnen sollte, aber es sollte von Vornherein eben nicht unterschieden werden zwischen der Norm und der Abweichung, dem „Anderen“. Und das geht eben nicht, ohne die verschiedenen Formen der sexuellen Ausrichtung und auch der sexuellen Identität zu nennen.
Da wir uns in der Zeit des Umdenkens befinden, werden wir sicherlich noch eine Weile lernen müssen, mit unseren Widerständen umzugehen. Veränderungen – ob nun im Denken oder in der Lebensführung – bringen immer ein gewisses Unbehagen mit sich. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Gesellschaft dieses Unbehagen im Laufe der Zeit überwinden wird. Bei Frauen im Berufsleben und im Fußball haben wir es ja auch geschafft.
Herzliche Grüße
Frank Muchlinsky