Ochs und Esel in der Krippe?

Gast
Ochse und Esel umrunden das Jesuskind und Maria und Josef in einer Krippe
© Paolo Gaetano/iStockphoto/Getty Images

Bei der Christmette wird gepredigt, dass beim Lukas Evangelium und auch beim Matthäus Evangelium inhaltlich einiges ausgeschmückt wurde. "Ochs und Esel" sei eine dieser Ausschmückungen. Weiter wird gesagt, dass das Johannes Evangelium das reinste Evangelium wäre. Also ohne derartige Ausschmückungen.

Das kann ich gar nicht nachvollziehen, zumal im Johannes Evangelium die komplette Geburtsgeschichte Jesu nicht erwähnt wurde.

Sind Ochs und Esel an der Krippe tatsächlich fehl am Platze? Eine hochschwangere Maria wird wohl kaum auf dem Esel geritten sein. Diese trabenden Bewegungen hätten bestimmt vorzeitige Wehen ausgelöst.

Lieber Gast,

die Evangelisten selbst haben nichts „ausgeschmückt“. Weder bei Lukas noch bei Matthäus kommen Ochs oder Esel vor. Die beiden haben ihren Weg in das Krippenspiel über den Propheten Jesaja gefunden. Dort heißt es (Jes 1,3) „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht, und mein Volk versteht's nicht.“

Das Krippenspiel vereinigt ja ohnehin mehrere Traditionen miteinander: Die Hirten stammen aus dem Lukasevangelium, die Weisen aus dem Morgenland (übrigens stehen ihre Namen nirgends, nicht einmal, dass es drei waren) stammen von Matthäus. Ausgeschmückt wurde also nach den Evangelisten. „Fehl am Platze“ sind Ochs und Esel dennoch nicht. Wollte man ein „korrektes“ Krippenspiel machen, müsste man letztlich auch auf den Stall verzichten. Von einer Futterkrippe ist zwar die Rede, aber ein Stall wird nicht erwähnt. Wenn wir Geschichten (auch biblische) lesen, erfinden wir ja ohnehin immer mehr als da steht. Wir können gar nicht anders, denn Texte regen immer unsere Fantasie an. So stellen wir uns zum Beispiel immer vor, wie wohl das kleine Jesuskind ausgesehen haben mag. Wie sahen seine Haare aus? Hatte er glattes Haar oder Locken? „Holder Knabe in lockigem Haar“ heißt es im Weihnachts-Schlager „Stille Nacht“ - eine reine Erfindung, aber wirklich „falsch“ ist es nicht. In der Bibel steht nichts darüber, also dürfen wir fantasieren.

Wenn Sie zum Beispiel sagen, dass Sie sich nicht vorstellen können, dass eine hochschwangere Frau auf einem Esel geritten ist, dann haben Sie das Recht, in Ihrem persönlichen Bild von der Weihnacht Maria zu Fuß gehen zu lassen.

Was damit gemeint sein soll, dass das Johannesevangelium das „reinste“ sein soll, verstehe ich auch nicht. Es stimmt: Er hat keine Geburtsgeschichte. Markus hat auch keine.

Ich grüße herzlich!
Frank Muchlinsky

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