Spaltpilz! Was ist ein "Theolog"?

GM
Zeitungsartikel mit Genderstern
© epd-bild/Rolf Zoellner

Könnten Sie bitte mit dem Unsinn der Gendersterne aufhören. Diese Verhunzung der Sprache ist unerträglich. Warum - wenn es denn nach Ihrem Verständnis sein "muss", unbedingt das generische Maskulinum abzuschaffen, weil es gerade nicht der Mainstream ist, bzw. in Ihre Vorstellung passt - verwenden Sie nicht beide Begriffe: Theologen und Theologinnen u.ä.? Zu bequem? Ich bitte Sie sehr, doch auch zu beachten, daß Sie z.B. mich zwingen, solche, auch nicht barrierefreien Wörter zu verwenden. Wollen Sie zeigen, wie vorbildlich und "tolerant" Sie sind, womöglich sensibel? Dem Zeitgeist gegenüber? Abgesehen davon, es gibt keinen "Theolog" noch "Ärzt" oder "Pat"! Ich denke aber, dass Sie wahrscheinlich genauso beratungsresistent sind und von sich überzeugt sind, eine der "Wahrheiten" zu vertreten (nach Ihren Beiträgen ist "Wahrheit " sowieso ein relativistischer Begriff) wie andere, da ich noch nie eine Antwort auf meine halbes Dutzend Einwände bekommen habe. "Theologen und Theologinnen" ist länger, ja, und ich finde, unnötig, außer man meint eine spezifische Situation. Aber beide Seiten könnten dem zustimmen. Nur denke ich, Sie WOLLEN das nicht. Sie wollen Ihrer "Gendersterngesinnung", die möglicherweise auch anderes impliziert, sichtbaren Ausdruck verleihen. Ob ich da noch lange "evangelisch" sein möchte? Schade, dass so etwas vergleichsweise Geringes, wo ein Kompromiss möglich wäre, weiterhin die Rolle eines Spaltpilzes spielen darf . Und SIE entscheiden das. Auweh! Und werden mir auf diese Email wohl nicht einmal antworten (wie schon einmal).

Liebe Frau M.,

die Frage danach, wie man so schreiben kann, dass sich niemand ausgeschlossen fühlen muss, ist in der Tat nicht einfach zu beantworten. Ich bin alt genug, um mich noch an die Diskussion darüber erinnern zu können, ob es denn unbedingt eine Doppelnennung braucht.

In unserem "Kommentierten Vorlesungsverzeichnis" des Fachbereichs Theologie stand zum Beispiel eine Anzeige der Gruppe "Christen für den Sozialismus". Die Gruppe musste sich laut fragen lassen, ob es denn keine Christinnen für den Sozialismus gäbe. Und ich gab den Kritikerinnen durchaus Recht.

Die Doppelnennung setzte sich danach allerdings auch nur langsam durch, und gerade in längeren gedruckten Veröffentlichungen wurde oft im Vorwort erläutert, warum man sich für eine bestimmte Schreibweise entschied. Befriedigend war das nicht, und ich persönlich war froh, als sich in meinen Kreisen das "TAZ-I" irgendwann durchsetzte, die ein groß geschriebenes I innerhalb des Wortes nutzte, um eine Form gleichzeitig männlich und weiblich zu machen. Die TheologInnen waren „geboren“.

Auf dem Kirchentag 2015 in Hamburg erlebte ich nun Folgendes. Bei einer Veranstaltung, die ich auf Englisch moderierte, begrüßte ich die Anwesenden mit "Ladies and Gentlemen!" Die Veranstaltung war wunderschön, ich schwebte auf Wolken und anschließend kam jemand zu mir und sagte mir: "Durch Ihre Anrede habe ich mich nicht begrüßt gefühlt. Ich bin weder Mann noch Frau."

Ich erzähle Ihnen diese Geschichte, weil ich ähnlich wie Sie zunächst mit Abwehr reagierte, zumindest innerlich. Ich ärgerte mich, dass mir mein schöner Abend durch so einen Einwand verdorben wurde, der mir so wenig wichtig erschien.

Allerdings war der Einwand für die Person, die ihn machte, keineswegs unwichtig. Sie fühlte sich nicht angesprochen - und wer wäre ich, zu sagen, dass sie das falsch sieht? Darum war ich auch hier froh, als sich erneut jemand die Mühe machte, eine Schreibweise zu finden, die Menschen einschließt, die ihre Identität weder als männlich noch als weiblich verstehen. Es kam zu dem, von Ihnen so verabscheuten Asterix, dem kleinen Sternchen, der als Platzhalter zwischen den männlichen Teil des Wortes und die weibliche Endung trat.

Ich gebe zu, dass ich laut aufseufzte, als der Asterix in unserer Redaktion bald schon durch den Doppelpunkt abgelöst wurde, der wiederum dafür sorgt, dass Vorlese-Software die kleine Pause erkennen konnte, die man beim Vorlesen der Worte an den entsprechenden Stellen einlegen sollte.

Nun habe ich mir also angewöhnt, mit Doppelpunkt zu schreiben, möglichst inklusive Formulierungen zu verwenden und bei Bedarf kleine Pausen innerhalb von Wörtern zu sprechen. Das fordert von mir in der Tat, dass ich meine Sprache immer wieder neu bedenke, aber ich denke, dass es sich lohnt, denn es geht ja darum, gerade niemanden auszuschließen. Es ist also das genaue Gegenteil eines Spaltpilzes.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Muchlinsky

P.S. In Ihrem Beitrag haben Sie keine offene Frage formuliert. Ich habe mich trotzdem entschieden, Ihnen zu antworten, möchte Sie aber bitten zu bedenken, dass ich hier bin, um Fragen zu beantworten. Diskussionen führen wir ebenfalls, allerdings auf unseren Social Media Kanälen.

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