Lieber Herr Muchlinsky,
was ich schon immer mal fragen wollte: Unsere Sozialstation hat seit ca einem Jahr zwei gesponserte, nagelneue Fahrzeuge. Der Sponsor ist eine renommierte genossenschaftliche Bankengruppe für Privatkunden. Der Schwerpunkt der Bankengruppe liegt bei der Vermögensbetreuung. Selbstverständlich sind die gesponserten Fahrzeuge mit großzügiger Reklame der genossenschaftlichen Bank eG versehen und nicht wie erwartet, mit Werbung für die Sozialstation der Diakonie. Zwei Mitarbeiterinnen haben das große Los gezogen und dürfen mit nagelneuen Sponsorenautos ihre Diensttouren fahren. Bei den täglichen Einsätzen stehen die Reklame-Autos der Bank, vor unterschiedlichen Behausungen alter, kranker Menschen.
Die Philosophie der Bankengruppe lautet ungefähr so: unser Staat kann aus bekannten Gründen nicht mehr in dem Maße für uns vorsorgen. Unsere Vermögensbestände werden durch Vererbung immer größer und zudem erkennen wir, dass Krisen an den Finanzmärkten häufiger auftreten können, als man das in der Regel erwartet. Deshalb wird eine individuelle Vermögensstruktur, breite Diversifikation, aber auch die konsequente Absicherung im Alter zunehmend wichtiger. Unsere Aufgabe ist es, mit Ihnen ein passendes Anlagekonzept zu entwerfen und dies auf individuelle Zielsetzung und Rahmenbedingungen abzustellen. Dabei gilt es auch, die Vorsorge im Alter, Absicherung der Familie, Vermögensübertragung auf nachfolgende Generationen, Steuern, den regelmäßigen Liquiditätsbedarf sowie Ihre Lebenssituation zu betrachten....usw....
Findet das die Evangelische Kirche in Deutschland korrekt, dass Mitarbeiterinnen der kirchlichen Sozialstation tag-täglich mit topaktuellen Fahrzeug Modellen, Reklame machen für Bankengiganten? Die restlichen Sozialstation Mitarbeiterinnen müssen ihre eigene, alte Klapperkiste für die täglichen Dienstfahrten nehmen. Wenn die Klapperkiste stehen bleibt, dann wartet der alte Mensch vergeblich. Die privaten Klapperkisten müssen das verpflichtende Werbeschild der kirchlichen Sozialstation tragen. Neue Autos für die Reklame der gesunden Bankengenossenschaft Alte Autos für die Werbung der Kirche Ist der EKD in Deutschland, diese Fahrzeugflotte nicht peinlich?
Lieber Gast,
vielleicht sollte ich damit beginnen, deutlich zu machen, dass ich hier nicht für „die EKD“ schreibe. Ich bin lediglich von evangelisch.de damit beauftragt, Fragen nach meinem Kenntnisstand (und häufig nach meiner Meinung als Pfarrer einer Mitgliedskriche der EKD) zu beantworten. Bitte nehmen Sie also meine Antwort nicht als „offizielle EKD-Meinung“ zu Ihrer Frage.
Kirchliche und Diakonische Einrichtungen bekommen häufig ähnliche Spenden, wie die beiden Fahrzeuge, von denen Sie schreiben. Ab und an kommt es dann auch vor, dass die Spender darum bitten, dass man sehen kann, wer diese Spenden gemacht hat. Diese Tradition ist uralt. Sie können zum Beispiel in mittelalterlichen Kirchen Kirchenfenster betrachten, in denen sich die Spender selbst abgebildet haben. Das mag man als geschmacklos empfinden.
Biblischerseits könnte man argumentieren, dass wir uns unserer guten Werke nicht rühmen sollen. Paulus schreibt oft davon, dass wir uns nicht „unserer Werke rühmen“ sollen , sondern nur unseres Glaubens (Röm 3,27, 1.Kor 1,31). Andererseits sagt Jesus, man solle sein Licht nicht unter den Scheffel stellen: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen (Mt 5,16).
Die Kirche hat zu der Frage, ob sich Spender auf ihren Gaben zeigen sollen, keine einheitliche Meinung. Es ist eher eine Frage von Werten, die gesellschaftlich mehr oder weniger anerkannt werden. Bescheidenheit ist solch ein Wert, der sicherlich viel Anklang findet, doch wird er nicht von allem Menschen gleich wichtig erachtet. Zudem kann er mit einem anderen, derzeit sehr hoc geachteten Wert wie „Selbstbewusstsein“ kollidieren.
Sicherlich sollte man bei jedem Spender genau hinschauen, ob man als kirchlich-diakonische Einrichtung mit dessen Namen nicht eine Haltung unterstützt, die dem eigenen Anspruch zuwiderläuft. Wenn Sie bei der genannten Bankengruppe dieser Meinung sind, sollten Sie Ihre Bedenken der Sozialstation vortragen.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky