Bin ich noch Christin, wenn Jesus für mich ein Prophet war?

Katja
Foto: Christoph Schmid auf Unsplash
Christus am Kreuz

Liebes Team,

ich bin evangelisch erzogen worden und aufgewachsen und war lange Zeit sehr aktiv in meinen Gemeinden, u.a. in der Konfirmandenarbeit. Mein Glaube hat sich über die Jahre immer weiterentwickelt, von Phasen der vollständigen Abwendung hin zu einem Konzept, das für mich selbst stimmig ist. Ich glaube an einen guten Geist, der über uns wacht und für uns da ist. Manchmal nenne ich ihn Gott. Ich finde auch die Geschichten aus der Bibel trostreich, weil ich es schön finde, zu wissen, dass die Menschen vor (über) 2000 Jahren schon dieselben Sorgen hatten wie ich. Aber ich glaube nur an wenig von dem, was das Christentum über Jesus aussagt. Ich finde die Idee, dass Jesus ein Prophet war, überzeugender und brauche seine Auferstehung oder die Idee als Gottes Sohn auch nicht, um mir Kraft zu geben. 

Darf ich mich damit überhaupt noch Christin nennen? Ich spreche gerne mit anderen (christlichen und nichtchristlichen) Menschen über meinen Glauben, weil er mir viel gibt, Trost und Zuversicht. Auch die kirchliche Gemeinschaft und die mir vertrauten Gottesdienste geben mir immer wieder Halt. Aber ich fühle mich unwohl damit, gerade einen so zentralen Pfeiler des Christentums nicht zu teilen.

Liebe Katja,

zunächst einmal: Anscheinend bist Du getauft worden, also bist Du Christin und bleibst das auch. Zumindest so lange, wie Du das selbst willst. Und dass sich dein Glaube weiterentwickelt, ist eine gute Sache! Ich nehme an und hoffe sehr, dass es allen Menschen, die es mit dem Glauben ernst meinen, ähnlich geht. Der Glaube ist ja keine starre Sache, sondern er lebt in uns und durch uns. Und was lebt, das verändert sich auch. Ich nehme auch an, dass das, was Du als deinen derzeitigen Glauben beschreibst, nicht so bleiben wird. Wie Du dich weiterentwickeln wirst, so wird es sicherlich auch dein Glaube tun. Dabei ist die Richtung so lange noch offen, wie Du bereit für weitere Veränderungen bist. 

Nun gibt es aber nicht nur den persönlichen Glauben, sondern es gibt eben auch Glaubensgemeinschaften, und die einigen sich auf bestimmte Grundsätze, zu denen sie sich bekennen. Aus denen entstehen immer wieder Glaubensbekenntnisse, die man zusammen spricht, um eben – bei aller Individualität des Glaubens – die Gemeinsamkeit zu betonen. Sicherlich kennst Du das sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis, das im Gottesdienst gesprochen wird. Was Du als derzeitigen Stand deines Glaubens beschreibst, ist mit diesem Glaubensbekenntnis in der Tat kaum vereinbar, denn in dem Glaubensbekenntnis wird eindeutig gesagt: Jesus war Gottes Sohn, er starb und stand auf von den Toten, und so weiter. Das sind die Grundpfeiler, warum es das Christentum überhaupt gibt. Da Christentum ist die Gemeinschaft derer, die das bekennen. Die christliche Hoffnung stützt sich auf genau diesen Glauben. 

Das bedeutet aber immer noch nicht, dass Du keine Christin mehr bist. Gerade wenn Du sagt, dass Du gern über deinen Glauben sprichst, tust Du das, was Christenmenschen tun sollten: Sich weiter mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen. Ja, wenn man deinen derzeitigen Glauben "einordnen" sollte, bist Du eher bei dem, was der Islam über Jesus sagt, aber das macht dich doch auch nicht gleich zu einer Muslima. Bleib einfach im Gespräch – mit den anderen in deiner Gemeinde und mit Gott selbst, wenn Du ihn gerade so nennst. 

Alles Gute für deinen weiteren (Glaubens-)Weg! 
Herzliche Grüße!
Frank Muchlinsky

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