Liebe ich zu sehr das Weltliche?

Silke H.

Hallo Herr Muchlinsky,

ich habe in der Bibel gelesen, dass man sich als Frau nicht schick machen soll und dem Mann untergeben dienen soll.
Nun bin ich sowohl immer "rausgeputzt" als auch eine Vollzeit arbeitende Frau, die den Lebensunterhalt für meinen Mann und mich bestreitet. Natürlich geht auch mein Mann arbeiten. Unsere Ehe ist so, dass wir gleichberechtigt sind. Klar gibt es klassische Aufgaben, die ich übernehme, dennoch trägt auch mein Mann seinen Teil zum Haushalt bei. Außerdem gefällt es ihm, dass ich mich aufhübsche und auch mir tut das gut. Kann ich aus diesem Grund keine von Gott geliebte Christin sein? Weil ich bewusst gegen diesen Anspruch der Bibel verstoße?

Außerdem steht in der Bibel, dass man nur Gottes Liebe empfängt, wenn man auch an Jesus Christus glaubt. Ich zweifle nicht an dessen Existenz, dennoch bete ich zu Gott und kann meine Worte nicht an Jesus richten. Bin ich dadurch anmaßend und werde gegebenenfalls nicht erhört? Ich hatte den Eindruck bislang jedoch nicht.
Kann ich als sehr weltliche Person dennoch darauf hoffen nach meinem Tod in Gottes Reich aufgenommen zu werden oder im Falle einer Apokalypse gerettet zu werden? Wo doch in der Bibel steht, dass man nicht das Weltliche lieben soll? Ich allerdings liebe viele Dinge dieser Welt und habe sie immer als Gottes Geschenke betrachtet. Die gelesenen Textstellen verunsichern mich allerdings sehr und ich fühle mich wie eine Sünderin.
Meine sehr engen Freunde sind homosexuell, auch das ist im christlichen Glauben sehr ... wie soll ich sagen, es wird wohl nicht akzeptiert, dennoch würde ich nie versuchen diese Menschen zu bekehren, da ich sie so akzeptiere wie sie sind und auch genauso liebgewonnen habe.

Ein weiterer Fehler an mir ist, dass sich mein Mann und ich momentan gegen Kinder entschieden haben. Doch das ist laut Bibel eine meiner einzigen Aufgaben auf dieser Welt. Was aber wenn wir Bedenken haben, die wir aktuell nicht umwerfen möchten?
Ich möchte keine Absolution, nur wissen, ob ich auch so wie ich eben bin, mit all diesen Fehlern, von Gott geliebt werde, auch so, obwohl ich keine klassische unterwürfige Christin bin.

Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Herzliche Grüße,

Silke

Liebe Silke,

Es tut mir Leid für Sie, dass Sie sich so viele Sorgen darum machen, ob Gott Sie liebt, so wie Sie sind. Ihr Leben, so wie Sie es in Ihrer Frage beschreiben, erscheint mir fröhlich zu sein und zunächst einmal überhaupt nicht kritikwürdig.

Sie nennen viele verschiedene Punkte, an denen Sie das Gefühl haben, falsch zu liegen, weil die Bibel hier etwas anderes von Ihnen fordert. Ich will gar nicht alle diese Punkte ansprechen, sondern zunächst grundsätzlich sagen, dass die Bibel uns Christinnen und Christen nicht als Handbuch dienen will. Es ist ein leider weit verbreiteter Irrtum, dass man die Bibel so verwenden könnte, als müsse man nur das entsprechende Stichwort suchen, schauen, was da so steht, und schon wisse man, wie man sich verhalten soll. Das geht allein deswegen schon nicht, weil die biblischen Texte einander durchaus widersprechen. Die Bibel will kein Ratgeber sein nach der Art von "1000 Tipps für ein gottgefälliges Leben". Wenn wir wissen wollen, wie wir leben sollen, müssen wir das, wovon die Bibel uns berichtet, verstehen. Das aber geht nur, wenn wir nicht einfach sagen: "Hier steht doch, die Frau sei dem Mann untertan, also heißt dass, das er das Geld verdient und sie Kinder bekommt, die sie dann zu hause erzieht." Wer so argumentiert, geht mit der Bibel falsch um. Die Bibel enthält viele, viele Sätze und Worte. Diese Worte aber sind nicht Gottes Wort. Gottes Wort ist – das ist das christliche Verständnis – in Jesus Christus Mensch geworden. Gottes Liebe hat sich den Menschen immer wieder gezeigt, offenbart. In Jesus Christus – das ist die Grundlage des Christentums – hat Gott sich uns Menschen auf einzigartig Weise gezeigt, nämlich als menschliches gegenüber. Alles, was wir über Gottes Offenbarung wissen, wissen wir aus Überlieferungen. Diese Überlieferungen müssen immer und immer wieder neu gedeutet werden, damit wir sie verstehen. Und bei dieser Deutung geht es nicht um einzelne Vorschriften. Es geht um das Ganze. Wen man das Ganze der Bibel anschaut, wird man feststellen, dass Gott das Schöne liebt, dass Gott alle Menschen gleich liebt, dass Gott die Liebe liebt, dass Gott vergibt, dass Gott seine Schöpfung liebt.

Gott will keine unterwürfigen Menschen. Gott verurteilt Homosexualität nicht. Gott hat Mann und Frau gleich geschaffen. Ja, es gibt Stellen in der Bibel, die anderes sagen, doch sie verblassen gegenüber der gesamten Botschaft von der Liebe Gottes, die sich auf ganz besondere Weise in Jesus Christus gezeigt hat.

Sie beschreiben sich als jemand, die am Leben Freude hat. Behalten Sie diese Freude! Gott will gewiss nichts anderes. Ich lese allerdings auch noch etwas anderes in Ihren Zeilen, wenn Sie von den vielen "Dingen dieser Welt" schreiben, die Sie so sehr mögen. Was meinen Sie wohl damit? "Schätze", also Gegenstände? Die will ich Ihnen auch gern gönnen, doch sollten Sie tatsächlich schauen, ob sich diese kostbaren Gegenstände die Waage halten mit den Kostbarkeiten, die Sie selbst als "himmlisch" bezeichnen würden. Schauen Sie einmal nüchtern darauf, wie viel Weltliches und wieviel Himmlisches Sie derzeit haben. Das Himmlische ist meist kostbar ohne, dass man einen Preis nennen könnte. Schauen Sie Ihre Schätze in Ruhe an.

Und dann – das sage ich mit einem sehr freundlichen Lächeln – teilen Sie! Wahrscheinlich teilen Sie schon länger Ihre irdischen und himmlischen Schätze. Wenn nicht, fangen Sie an und geben Sie fröhlich davon ab. Bleiben Sie fröhlich bei Ihrem Tun, Bleiben Sie hübsch – nicht zuletzt in Ihren eigenen Augen. Richten Sie sich an Gott mit Ihren Sorgen und mit Ihrer Freude. Bleiben Sie weiterhin eine Denkerin und beten Sie, wenn Ihnen das gut tut.

Vor allem aber fürchten Sie weder Tod noch Teufel! Beide hat unser Gott besiegt.

Sehr herzliche Grüße!

Frank Muchlinsky

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