Ist es logisch, an einen Gott zu glauben?
Lieber Gast,
Ihre Frage – so kurz sie auch ist – ist ausgesprochen anregend für Generationen von Theologen gewesen. Interessanterweise ist sie sozusagen die "korrekte" Formulierung für die Frage, die sich der mittelalterliche Gelehrte Thomas von Aquin stellte, und die heute – eher falsch – als "Gottesbeweis" bekannt ist. Thomas fragte sich, ob Gott nicht eine logische des Denkens wäre. Fünf "Denkwege" ist Thomas gegangen, auf denen er nach seiner Logik zu Gott gelangen musste ("Quinque viae ad deum"). Ich will das eben vorführen:
Der erste Weg geht über die "Bewegung". Bewegung ist dabei für Thomas mehr als Ortsveränderung. Er versteht darunter auch das Werden von etwas Neuem, eine Veränderung, also zum Beispiel auch eine "Bewegung" aus der Möglichkeit in die Realität. Nun sagt Thomas, dass alles, was sich in diesem Sinne bewegt, dies nicht von allein tun kann, es muss quasi angestoßen worden sein. Dann kann es wiederum etwas anderes bewegen. Diese Reihe kann man zurückverfolgen bis zur logischen Konsequenz, dass es etwas geben muss, das selbst unbewegt war, aber alles andere bewegt hat. Wie gesagt, wir befinden uns nicht nur in der Physik, sondern auch in der Philosophie, das heißt, es muss nach Thomas' Logik etwas geben, dass das Werden in Gang setze, ohne selbst geworden zu sein. Und darunter verstehen wir Gott, sagt er.
Sie sehen, man kann sich Gott auf dem Wege der Logik nähern. Allerdings sind in den fünf Wegen des Thomas von Aquin ein paar Annahmen enthalten, die für ihn unstrittig waren, die für einen Menschen des 21. Jahrhunderts allerdings nicht selbstverständlich sind. Nehmen Sie zum Beispiel den letzten Satz des vorherigen Absatzes. Die erste, die "unbewegte Bewegung" nennen wir eben nicht zwangsläufig Gott.
Darum ist es sicherlich angemessen, wenn wir uns Gott heute auf anderem Wege annähern. Es geht vielmehr um eine Beziehung. Wer an Gott glaubt, will nicht, dass seine Existenz bewiesen wird, vielmehr geht es darum, ob die Zeugnisse, also das, was von Gott berichtet wird, für das eigene Leben Sinn ergeben. Wenn man erlebt, dass die Rede von Gott, der Mensch geworden ist, dem eigenen Leben Sinn und Halt gibt, dann kann man auf diese Weise Gott näher kommen, als Logik das könnte. Das ist wie in jeder anderen Beziehung: Liebe entsteht da, wo man vertraut, wo man einander gut tut.
Ich grüße Sie herzlich!
Frank Muchlinsky