Was müssen evangelische Christen glauben?

Armin Göhl-Walter

Würde es keine Menschen geben würde niemand über Gott reden, Also braucht Gott die Menschen und die Menschen Gott in gegenseitiger Abhängigkeit.

Und wenn Gott die Menschen und die Wesen erschaffen hat ? Wer hat dann Gott erschaffen? So kann man das weiter projizieren.

Es gibt keinen außenstehenden Gott, Gott ist kein Ding, und das Wesen aller Lebewesen ist unsterblich in jedem Lebewesen enthalten. Wir sind also genauso von der Wesensart wie Jesus.

Kann man mit dieser Einstellung in die ev. Kirche eintreten?
Für eine Antwort von Ihnen wäre ich sehr dankbar.
mit freundlichen Grüßen

Armin Göhl-Walter

Lieber Herr Göhl-Walter,

 

die Aussagen zu Gott, die Sie hier formulieren, sind für einen evangelischen Christen unterschiedlich provokant. Darum möchte ich sie gern einzeln kommentieren.

 

1. Würde es keine Menschen geben würde niemand über Gott reden, Also braucht Gott die Menschen und die Menschen Gott in gegenseitiger Abhängigkeit.

Das ist durchaus ein Gedanke, den Christinnen und Christen nachvollziehen können. Wir sind immerhin zu Gottes Ebenbild erschaffen worden, als ein Gegenüber, von dem die Bibel sagt: "Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt." (Psalm 8,5-6) Und schließlich hat sich Gott, als er in Jesus Christus auf diese Welt kam, sich in einem Menschen offenbart.

Das Wunderbare an Gott kann der Mensch wohl am besten erkennen. Insofern könnte man – sicherlich zugespitzt – formulieren, dass Gott und Mensch einander "brauchen".

 

2. Und wenn Gott die Menschen und die Wesen erschaffen hat ? Wer hat dann Gott erschaffen? So kann man das weiter projizieren.

Hier kommen wir an einen Punkt, der dem christlichen Glaubensbekenntnis in der Tat widerspricht. Nach christlichem Verständnis ist Gott der "Urgrund" alles seins, also ungeschaffen. Es ist sicherlich nicht einfach, sich etwas vorzustellen, dass außerhalb von Zeit existiert und selbst ohne Ursprung ist, aber diese Vorstellung hat das Christentum von Gott.

 

3. Es gibt keinen außenstehenden Gott, Gott ist kein Ding, und das Wesen aller Lebewesen ist unsterblich in jedem Lebewesen enthalten. Wir sind also genauso von der Wesensart wie Jesus.

Wenn ich Sie richtig verstehe, gehen sie in Ihrer Vorstellung davon aus, dass Gott in allen Lebewesen ist, und dass darum alle Lebewesen so wie Jesus unsterblich sind. Diese Vorstellung kann ich teilweise nachvollziehen. Alle Schöpfung trägt den Schöpfer, also Gott in sich. Alle Lebewesen tragen Gottes Lebensatem in sich. Insofern kann man sagen, dass wir in diesem "göttlichen Gesamtgefüge" ein Teil sind. Und so lange das Ganze lebt, leben wir, sind wir unsterblich. Allerdings glaubt das Christentum Gott durchaus auch als Gegenüber und nicht nur als Teil von uns selbst. Es ist eine besonders wichtige theologische Erkenntnis, dass der Mensch nicht Gott ist, sondern dass eben nur Gott selbst Gott ist. Wann immer Menschen diese Unterscheidung aufgehoben haben, führte das zu einer furchtbaren Selbstüberschätzung der Menschen.
Ihr Satz " Wir sind also genauso von der Wesensart wie Jesus" ist darum auch einer, den ich als Christ nur "halb unterschreiben" kann. Einerseits stimme ich zu, denn es entspricht dem christlichen Glaubensbekenntnis, dass Jesus "wahrer Mensch" war. Gott hat nicht einfach eine menschliche Hülle angezogen, er wurde in Jesus Christus tatsächlich zum Menschen und lebte genau wie wir, inklusive Leiden und Tod. Andererseits war Jesus so göttlich, dass er – anders als wir Menschen – ganz mit Gott verbunden war. Mit älteren Worten ausgedrückt: Jesus war vollkommen ohne Sünde, denn Sünde ist – wiederum nach christlichem Verständnis – Gottes-"Ferne". Darum kann man nicht sagen, wir Menschen wären "genauso" wie Jesus.

 

4. Kann man mit dieser Einstellung in die ev. Kirche eintreten?

Nun ja, ich habe Ihnen geschildert, was der christliche Glaube zu Ihren Fragen so sagt. Der Ball liegt also sozusagen in Ihrem Feld. In der Kirche gibt es so viele Vorstellungen von Gott wie es Gläubige gibt. Die "Eintrittskarte" in die Kirche löst man, indem man sich taufen lässt auf den Namen Jesu Christi. Man spricht deutlich hörbar das Apostolische Glaubensbekenntnis. Was einem dabei im Kopf herumgeht, wissen nur der Täufling und Gott. Die Frage ist weniger, ob Sie mit Ihrer Vorstellung eintreten dürfen. Sie müssen sich vielmehr fragen, ob Sie dieser bestimmten Gemeinschaft angehören wollen, die Gott als ungeschaffenes Gegenüber und Jesus als Gottes einzigen Sohn bekennt.

 

Ich wünsche Ihnen weiterhin gute und tiefe Gedanken.

Frank Muchlinsky

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