Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre

Susanne

Hallo Herr Muchlinsky,

am Mittwoch 05.07.2017 hat sich die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" angeschlossen und dies mit ihrer Unterschrift besiegelt. Die Römisch-Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund haben dies bereits am 31. Oktober 1999 getan.

Bedeutet dies, dass die Katholische Kirche, die Lutherische Kirche und die Reformierte Kirche ihre Lehrmeinungen zur Rechtfertigunslehre nun untereinander anerkennen?

Im Artikel vom 06.07.2017 mit der Überschrift: "Neben Gott ist Martin Luther heute bestimmt der Glücklichste", in der Rubrik: "Ökumene und Weltreligionen", ist folgendes zu lesen:

Zitat: "Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen fügt der Erklärung eine eigene Stellungnahme an, die die Verbindung zwischen Rechtfertigung und Gerechtigkeit als besonderen reformierten Beitrag zu weiteren ökumenischen Gesprächen über die Rechtfertigungslehre betont. Für reformierte Christen gehört der Gedanke, ein von Gott gerechtfertigter Mensch zu sein, untrennbar mit dem Eintreten für Gerechtigkeit und gesellschaftliche Verantwortung zusammen."

Hier fehlt mir die Freiheit, die bei Martin Luther zum Ausdruck kommt. In Luthers "Freiheit eines Christenmenschen" ist der Mensch allein durch den Glauben an Jesus Christus und die Gnade Gottes ein von Gott gerechtfertigter Mensch. Durch die Freiheit, die einem Christenmensch so zuteil wird, wird er befähigt für seine Mitmenschen da zu sein und ihm das zu geben, was er braucht und was der Christenmensch selbst in der Lage ist ihm zu geben.

Dass für reformierte Christen der Gedanke, ein von Gott gerechtfertigter Mensch zu sein, untrennbar mit dem Eintreten für Gerechtigkeit und gesellschaftliche Verantwortung zusammen gehört, gibt mir das Gefühl, nur dann ein von Gott gerechtfertigter Mensch zu sein, wenn ich in einer, mir vorgegeben Art und Weise für Gerechtigkeit eintrete und für die Gesellschaft Verantwortung übernehme. Dies würde mich überfordern und das Gefühl von Freiheit ist weg.

Bin ich in den Augen von Christen der Reformierten Kirche kein guter Christenmensch, wenn ich diese Anforderungen nicht erfüllen kann? Oder verstehe ich hier wieder mal was falsch?

Ich hoffe, dass ich mit meinem "Geschreibsel" gut rüberbringen konnte, was ist meine, denn eine Antwort auf meine Frage ist mir sehr wichtig und bedeutet für mich sehr viel.

Herzliche Grüße und schon heute ein großes Danke für Ihre Mühe!
Susanne

Liebe Susanne,

ich habe mir erlaubt, Ihre Frage an meine Kollegin Lena Ohm weiterzugeben, die den von Ihnen erwähnten Artikel geschrieben hat. Sie war so freundlich und hat sofort geantwortet. Hier ist, was sie schreibt:

 

"Liebe Susanne,

Diese Erklärung bedeutet, dass jetzt sowohl die Katholiken, als auch Lutheraner, Methodisten, Reformierte und bald auch offiziell die Anglikaner an die Rechtfertigungslehre glauben - sie haben jetzt also eine gemeinsame Lehrmeinung.

Und nein, natürlich sind Sie in den Augen der Reformierten Kirche kein schlechter Christenmensch, wenn Sie das Streben nach Gerechtigkeit überfordert. Den Reformierten geht es wie auch den Lutheranern darum, dass Gott uns das Geschenk der Gnade macht - mit nichts, was wir tun, können wir uns dieses Geschenk verdienen. Es wird uns als Geschenk in die Wiege gelegt. Durch dieses Geschenk sind wir, so die Sicht der Reformierten, aber besonders dazu befähigt, uns für Gerechtigkeit in der Welt einzusetzen (Luther hat es allgemeiner gehalten, die Reformierten haben es etwas zugespitzt). Wenn wir es aber nicht tun, weil wir es vielleicht können oder uns der Gedanke beim Anblick der sehr ungerechten Welt überfordert, entzieht uns Gott auch in Augen der Reformierten die Gnade nicht - sie ist uns bedingungslos gegeben. Sie soll uns nur motivieren, nach Gerechtigkeit zu streben. Perfektion ist nicht nötig.

Liebe Grüße

Lena Ohm"

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