Für wen gilt die Vergebung der Sünden?

Christian
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Guten Tag!
Ganz allgemein gesagt starb Jesus am Kreuz,damit wir von unseren Sünden rein gewaschen werden. Aber gilt das auch für die Menschen die nach der Kreuzigung gelebt haben bzw. noch leben? Und wie kann man sich das genau vorstellen? Jemand begeht ein Mord,also eine Sünde,aber aufgrund der Kreuzigung wird dem Mörder seine Sünde vergeben?
LG Christian

Lieber Christian,

vielen Dank für Ihre spannende Frage. Sie sprechen damit eine für das Christentum fundamentale Frage an, denn schließlich berufen wir uns auf Jesus Christus und seine Auferstehung, die wir jedes Jahr zu Ostern als wichtiges christliches Fest feiern.

Ihre Frage fällt in der Theologie in den Bereich der „Rechtfertigung“. Sowohl Martin Luther als zuvor schon der Apostel Paulus und der Kirchenvater Augustin haben sich prägend damit beschäftigt. Darum möchte ich auch mit Paulus anfangen, der sich vor allem im Römerbrief mit der Thematik auseinandersetzt. Wie diese sog. Rechtfertigung funktioniert bzw. was das für uns eigentlich bedeutet, ist in Röm 3,21-31 erklärt. Dort heißt es (hier aus der Lutherübersetzung von 2017):

 

Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: 23 Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.

Den hat Gott für den Glauben hingestellt zur Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden 26 in der Zeit der Geduld Gottes, um nun, in dieser Zeit, seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus. Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. 29 Oder ist Gott allein der Gott der Juden? Ist er nicht auch der Gott der Heiden? Ja gewiss, auch der Heiden. 30 Denn es ist der eine Gott, der gerecht macht die Juden aus dem Glauben und die Heiden durch den Glauben. 31 Wie? Heben wir das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf.

Wir werden also, so versteht es Martin Luther, allein durch den Glauben gerecht. „Gerecht“ meint in diesem Sinne, dass uns die Sünden, die wir getan haben, vergeben sind. Und das Ganze passiert „gratis“, d.h. aus Gnade Gottes, ohne, dass wir dafür etwas zahlen oder tun müssen (Röm 3,23-25; Gal 3,22).

In der Forschung ist die Interpretation üblich, dass Paulus einen Perspektivwechsel von der einzelnen Verfehlung (Sünde) hin zu einer grundsätzlichen Befreiung aller Christen, eine Erlösung also, deutlich macht. Dafür nutzt er eine sog. "Formel". Man geht davon aus, dass Röm 3,24-25 eine ältere Taufformel ist, die also nicht auf Paulus, sondern auf eine ältere Zeit zurückgeht. Paulus kannte sie und hat sie wohl als erster verschriftlicht, zumindest haben wir keine früheren Nachweise. Nun genauer zu diesem Bild, bzw. der Metapher der Taufe. Durch die Taufe identifizieren wir uns als Glaubende und wir sind „in Christus“ (Gal 3,26-28). Damit sind wir auch „in“ seinem Tod und mit ihm am Kreuz gestorben.

Eine Metapher, die Paulus selbst verwendet um das zu beschreiben, was in der Taufe passiert, ist, dass wir Christus in der Taufe angezogen haben (Röm 13,14; Gal 3,27). Man kann sich das als eine direkte Verbindung zwischen dem Getauften und Christus vorstellen, wie ein Gewand, das man anzieht. Jeder Getaufte trägt Christus permanent mit sich und somit also auch seine Kreuzigung und seine Auferstehung. Wenn wir dieses Gewand, welches Christus ist, auf der Haut tragen, haben wir Anteil an dieser von Paulus beschriebenen Erlösung von unseren Sünden. 

Nach diesen eher allgemeinen Betrachtungen zur Rechtfertigung, möchte ich gern auf Ihr konkretes Beispiel mit dem Mörder eingehen. Grundsätzlich ist Christus auch für die Sünde des Mordes gestorben, wenn die Prämisse, dass der Sünder glaubt (Gal 2,16), erfüllt ist, dann wird ihm durch Christi Tod am Kreuz seine Sünde vergeben. Ich möchte aber auf einen ganz entscheidenden Faktor in diesem Prozess hinweisen, von dem bisher noch nicht die Rede war: die Reue. Sie ist die Grundlage für alle Vergebung und für alle Erlösung. Der Mörder sollte den Mord, den er begangen hat, also bereuen. Luther, zum Beispiel, stellt die besondere Bedeutung der Reue in den Vordergrund. Für ihn besteht die sogenannte Beichte aus zwei Prozessen: indem sich der Sünder/die Sünderin zu seiner/ihrer Sünde bekannt (confessio) hat, folgt unmittelbar die Reue der Tat.

Wie Sie es in Ihrer Fragen beschrieben haben, jemand begeht einen Mord und aufgrund der Kreuzigung wird ihm die Sünde vergeben, stimmt es also unter der Maßgabe, dass es sich um einen Glaubenden handelt, der die Sünde, die er begannen hat, bereut.

Ich hoffe ich konnte Ihre Frage beantworten und sie ist Ihnen hilfreich. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.

Pia Heu

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